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27. BAföG-Änderungsgesetz (aktualisiert)

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (27. BAföGÄndG) (Stand: 25.03.2022)

Verantwortliches Ressort:
Bildung und Forschung
Veröffentlichung vom:
12.04.2022
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Arbeit, Digitales, Familie
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Normadressatinnen und -adressaten
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, Schülerinnen und Schüler, Studierende, alle Staatsangehörigkeiten

Ziel des Gesetzentwurfs

Mit dem Entwurf eines siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (27. BAföGÄndG) soll das Ziel verfolgt werden, förderungsbedürftige Auszubildende besser zu erreichen und dadurch die Chancengerechtigkeit im Bereich der individuellen Bildungsfinanzierung zu stärken.1 Der Entwurf reagiert damit auf kontinuierlich sinkende Gefördertenzahlen, um finanzielle Hürden als ausschlaggebenden Grund für den Verzicht einer Ausbildung auszugleichen.2

Mögliche Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Die Freibeträge sollen um 20 Prozent erhöht werden (§§ 23, 25 BAföG). So soll z.B. der Grundfreibetrag vom Elterneinkommen (wenn z.B. verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend) bei 2400 Euro statt wie aktuell bei 2000 Euro pro Monat liegen (§ 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG). Dadurch kann sich in erster Linie der Kreis der möglichen BAföG-Geförderten erweitern und mehr junge Menschen könnten sich unabhängig vom Einkommen der Eltern einen Bildungsabschluss leisten. Es könnten auch mehr junge Menschen eine Arbeitsförderung erhalten, da sich parallel z.B. die Freibeträge für die Berufsausübungsbeihilfe erhöhen (§ 67 Abs. 2 S. 1 SGB III). Durch die Anhebung der Freibeträge könnte es insgesamt mehr jungen Menschen ermöglicht werden, Zugang zu einem Bildungsangebot zu erhalten.
  • Künftig sollen die sog. Bedarfssätze in §§ 12, 13 BAföG um etwa 5 Prozent angehoben werden. Beispielsweise soll sich der Wohnkostenzuschlag etwa für Studierende, die nicht bei den Eltern wohnen, auf monatlich 360 Euro statt bislang 325 Euro erhöhen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 BAföG). Vor dem Hintergrund stetig steigender Lebenshaltungskosten und Inflation – insbesondere auch mit Blick auf die vielerorts rasant steigenden Mietpreise und hohen Wohnkosten (z.B. in Berlin) – kann die Anhebung der Bedarfssätze ein Schritt in Richtung materieller Entlastung für betroffene junge Menschen sein. Nichtsdestotrotz kann sich die finanzielle Entlastung nicht pauschal für betroffene junge Menschen aller Regionen zeigen. Daher könnte selbst ein Wohnkostenzuschlag von 360 Euro pro Monat in einigen Regionen nicht ausreichen, um allein damit die Wohnkosten zu decken.
  • Künftig soll keine Originalunterschrift oder ein schriftformersetzendes Authentisierungsverfahren bei der digitalen Antragstellung von BAföG mehr nötig sein (§ 46 Abs. 1 BAföG). Durch diese Vereinfachung der Antragsstellung könnte der Zugang zu einer BAföG-Förderung niedrigschwelliger werden und sich der Kreis an BAföG-Geförderten erhöhen. Ein vollständig digital einzureichender Antrag würde insbesondere der Lebensrealität junger Menschen, die an digitale Prozesse gewöhnt sind, entsprechen. Somit nehmen künftig ggf. auch BAföG-Berechtigte die Hürde einer Antragsstellung, die sich vormals aufgrund formaler Hürden haben abschrecken lassen.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Normadressatinnen und -adressaten sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre, die aktuell Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehen. Dies sind beispielsweise junge Menschen, die eine förderungsfähige Ausbildung,3 etwa eine Ausbildung an einer Hochschule, absolvieren und die persönlichen Voraussetzungen,4 wie z.B. Staatsangehörigkeit, erfüllen. Auch junge Menschen, die in Erwägung ziehen, künftig eine förderungsfähige Ausbildung zu beginnen oder fortzusetzen, können von der Norm betroffen sein. Leistungen nach dem BAföG werden insbesondere von Studierenden bezogen: Von den im Jahr 2020 insgesamt 639.069 Geförderten waren 465.543 Studierende und 173.526 Schülerinnen bzw. Schüler.5

Die Zahl der Personen, die nach dem BAföG Leistungen erhalten, sinkt seit dessen Höchststand im Jahr 2012 kontinuierlich ab. So haben im Jahr 2020 in Deutschland 639.000 Personen BAföG erhalten – das sind 41.000 Personen bzw. 6 Prozent weniger als im Vorjahr.6 Dies entspricht einem Rückgang von 27 Prozent Leistungsbeziehender gegenüber dem Jahr der Deutschen Vereinigung 1991.7 Diese Entwicklung ist insbesondere bei der Zahl der geförderten Schülerinnen und Schülern mit einem Rückgang von 35 Prozent gegenüber dem Jahr 1991 zu verzeichnen.8

Neben jungen Menschen, die eine BAföG-förderungsfähige Ausbildungsstätte besuchen, sind auch solche jungen Menschen in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 27 Jahre betroffen, die Arbeitsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) erhalten. Das können unter bestimmten Voraussetzungen zum Beispiel junge Menschen sein, die während ihrer Ausbildung in einer eigenen Wohnung leben. Oder aber, junge Auszubildende mit schweren Behinderungen, die deshalb nur schwer am Arbeitsleben teilnehmen können.9

Zudem sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre betroffen, die eine Aufstiegsfortbildung absolvieren oder absolvieren möchten und dazu Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsgesetz (AFBG) beziehen.

Betroffene Lebensbereiche

Bildung/Arbeit, Digitales, Familie

Jugendrelevante Auswirkungen

Ausweitung der Reichweite der Förderung

§§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG, §§ 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, 126 Abs. 2 SGB III

Künftig sollen die Freibeträge um 20 Prozent erhöht werden.10 So soll etwa der Freibetrag vom eigenen Einkommen der Auszubildenden, zum Beispiel durch studentische Nebentätigkeiten, künftig bei 330 Euro statt 290 Euro monatlich liegen, vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG. Der Grundfreibetrag vom Elterneinkommen (wenn z.B. verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend) soll künftig bei 2400 Euro statt wie aktuell bei 2000 Euro pro Monat liegen, vgl. § 25 Abs. 1 Nr. 1 BAföG.

Parallel sollen sich die im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe zu berücksichtigenden Freibeträge, die sich an denen des BAföG orientieren, erhöhen, vgl. § 67 Abs. 2 S. 1 SGB III. Abweichend des Gleichlaufs von BAföG und Berufsausbildungsbeihilfe sollen künftig 79 Euro statt wie bisher 66 Euro auf das eigene Einkommen sowie 851 Euro statt 709 Euro auf das Einkommen der Eltern anrechnungsfrei sein, wenn der Weg zur Ausbildungsstätte weit ist, vgl. § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III. Unabhängig davon sollen sich auch im Rahmen des Ausbildungsgeldes für Menschen mit Behinderungen die Freibeträge erhöhen, vgl. § 126 Abs. 2 SGB III. So bleibt beispielsweise das Einkommen der Eltern anstatt bis 3.637 Euro bis zu 4.364 Euro anrechnungsfrei, vgl. § 126 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 SGB III.

Die Anhebung der Freibeträge kann in erster Linie den Kreis der möglichen BAföG-Geförderten erweitern. Als Sozialleistung nach BAföG ergibt sich ein individueller Förderungsbetrag aus dem gesetzlich geregelten Bedarf abzüglich des Einkommens. Für die Berechnung des Förderungsbetrages wird nach § 11 Abs. 1 und 2 BAföG (geltendes Recht) nicht jedes Einkommen angerechnet, sondern nur solches, dass über dem sog. Freibetrag liegt. Indem nunmehr aufgrund der Anhebung der Freibeträge auch junge Menschen BAföG beziehen könnten, bei denen z.B. das Einkommen der Eltern die Freibeträge nach aktuellem Recht übersteigt, können mehr junge Menschen eine BAföG-Förderung erhalten. Dadurch könnte für mehr jungen Menschen der Zugang zu Bildungsangeboten ermöglicht werden. Ebenso können mehr junge Menschen durch die entsprechende Anhebung der Freibeträge eine Berufsausbildungsbeihilfe oder ein Ausbildungsgeld erhalten. Die Anhebung der Freibeträge kann somit dazu führen, dass sich insgesamt mehr junge Menschen unabhängig von dem Einkommen ihrer Eltern einen Bildungsabschluss oder eine Berufsausbildung leisten können. Dies kann insbesondere auch für die in diesem Alter wichtigen Prozesse von „Qualifizierung, Verselbstständigung und Selbstpositionierung“11 förderlich sein.

Zudem könnten sich auch die Bildungsbedingungen während der Ausbildung für jene jungen Menschen verbessern, die bislang keinen Anspruch auf BAföG hatten, sich jedoch durch Nebentätigkeiten oder finanzielle Einschränkungen trotzdem die Ausbildung ermöglicht haben. Wenn diese jungen Menschen dann künftig BAföG erhalten, können sie ihrer Ausbildung durch die finanzielle Absicherung mehr Aufmerksamkeit schenken oder z.B. auch mehr Geld in Studienmaterialen investieren.

Auch die Anhebung der Freibeträge für das von den Auszubildenden selbst erarbeitete Einkommen kann zu einer materiellen Entlastung führen: Einerseits können betroffene junge Menschen, sofern sie aktuell schon mehr als 290 Euro verdienen, künftig abzugsfrei mehr von ihrem erarbeiteten Einkommen zur Verfügung haben. Sollten sie aufgrund der Freibetragsgrenze bisher ihre Arbeitsstunden eingeschränkt haben, können Betroffene andererseits künftig ihre Arbeitsstunden erhöhen und mehr arbeiten. Somit könnten sie zum einen mehr Einkommen zur Verfügung haben und/oder zum anderen auch mehr Arbeitserfahrung sammeln, die ggf. bei der Arbeitssuche im Anschluss an die Ausbildung von Vorteil sein kann.

Finanzielle Entlastung

§§ 12 Abs. 1 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2, 13a Abs. 1 S. 1 und S. 2, 14b Abs. 1 S. 1 BAföG, §§ 64 Abs. 3 S. 1, 123 S. 1 Nr. 2 SGB III

Die BAföG-Förderung wird nach § 11 Abs. 1 BAföG geltendem Recht für die Ausbildung und den Lebensunterhalt, dem sog. Bedarf geleistet. Künftig sollen die sog. Bedarfssätze in §§ 12, 13 BAföG um etwa 5 Prozent angehoben werden.12 Beispielsweise soll sich der Bedarfssatz von Berufsschülerinnen und -schülern von derzeit 247 Euro auf 260 Euro monatlich erhöhen und der Bedarfssatz von Studierenden soll sich von aktuell 427 Euro auf 449 Euro pro Monat erhöhen, vgl. §§ 12 Abs. 1 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG. Der Wohnkostenzuschlag für z.B. Studierende, die nicht bei den Eltern wohnen, soll sich um monatlich 360 Euro statt bislang 325 Euro erhöhen, vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 BAföG. Ebenfalls soll der Zuschlag zur Krankenversicherung von 84 Euro auf 94 Euro sowie der Zuschlag zur Pflegeversicherung von 25 Euro auf 28 Euro monatlich erhöht werden, vgl. § 13a Abs. 1 S. 1 und S. 2 BAföG.

Ebenso sollen sich die Bedarfssätze für die Finanzierung des Lebensunterhalts bei der Berufsausbildung bzw. bei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen von Auszubildenden, die auf die Bedarfssätze des BAföG verweisen, entsprechend erhöhen, vgl. §§ 61 Abs. 1, 123 S. 1 Nr. 1, 124 Nr. 1 SGB III. Ferner soll beispielsweise bei der Unterbringung in besonderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen der Bedarf für das Ausbildungsgeld von 119 Euro auf 125 Euro angehoben werden, vgl. § 123 Satz 1 Nr. 2 SGB III.

Für BAföG-Beziehende mit Kindern soll sich der Kinderbetreuungszuschlag von monatlich 150 Euro auf 160 Euro pro Kind erhöhen, vgl. § 14b Abs. 1 S. 1 BAföG. Entsprechend soll sich der Kinderbetreuungszuschlag bei der Berufsausbildungsbeihilfe erhöhen, vgl. § 64 Abs. 3 S. 1 SGB III.

Vor dem Hintergrund stetig steigender Lebenshaltungskosten und Inflation13 – insbesondere auch mit Blick auf die vielerorts rasant steigenden Mietpreise und hohen Wohnkosten14 – können die Anhebung der Bedarfssätze sowie die Zuschläge zur Kranken- und Pflegeversicherung Schritte in Richtung materieller Entlastung für die betroffenen jungen Menschen sein. Zudem können insbesondere junge Menschen, die Arbeitsförderung erhalten, besondere Bedürfnisse haben: Etwa weil sie für die Berufsausbildung von Zuhause ausziehen müssen, oder sie Behinderungen haben, die eine Berufsausbildung beeinträchtigen. Die Anhebung der Bedarfssätze könnte ihnen finanzielle Sorgen, z.B. mit Blick auf die Finanzierung der Unterkunft, nehmen, was wiederum die Aufnahme und das Absolvieren der Ausbildung und dadurch das Ausüben einer Erwerbsarbeit vereinfachen kann. Hierdurch kann den jungen Menschen gesellschaftliche Integration und Teilhabe ermöglicht werden.15

Auch die Anhebung des Wohnkostenzuschlages für Wohnende außerhalb des Elternhauses, kann junge Menschen finanziell unterstützen. Nichtsdestotrotz kann sich diese finanzielle Entlastung nicht pauschal für betroffene junge Menschen aller Regionen und auch nicht in allen Wohnformen lebend (z.B. alleinlebend, WG, gemeinsam mit Partner) zeigen. So zahlten Studierende, die in Wohngemeinschaften lebten, bereits im Jahr 2016 im bundesweiten Durchschnitt 312 Euro pro Monat Miete16; alleinwohnende Studierende gar 405 Euro pro Monat.17 In Städten wie Berlin und Hamburg lagen mit 362 bzw. 373 Euro monatlich selbst im Jahr 2016 die Wohnkosten bereits über den geplanten 360 Euro Wohnkostenzuschlag.18 Da diese 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks19 bereits sechs Jahre alt ist und sich vor allem auch in den Metropolen das Wohnungsangebot günstiger Wohnung rasant verknappt hat,20 könnte die geplante Anhebung des Wohnzuschlags nicht bei allen BAföG-Beziehenden zu einer spürbaren finanziellen Entlastung führen. Eine aktuellere Studie geht zum Ende des Wintersemesters 2021/22 gar mit durchschnittlichen Wohnkosten von 414 Euro pro Monat für Studierende aus.21 Dies beinhaltet jedoch auch Städte wie München, Frankfurt, Berlin, in denen die Mietpreise besonders stark ansteigen. Vor diesem Hintergrund könnte selbst ein Wohnkostenzuschlag von 360 Euro pro Monat in einigen Regionen nicht ausreichen, um allein damit die Wohnkosten zu decken.

Auch die Anhebung des Kinderbetreuungszuschlags um zehn Euro monatlich pro Kind kann für junge BAföG-Beziehende bzw. Auszubildende eine materielle Entlastung darstellen. Denn durch die Erhöhung könnten sie ggf. eher in der Lage sein, eine Kinderbetreuung für eine zusätzliche Zeit zu engagieren, um z.B. ausbildungsrelevante Veranstaltungen wahrnehmen zu können.22

Erweiterte Möglichkeit von Auslandsaufenthalten

§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5 S. 3 i.V.m. S. 2 BAföG

Künftig soll es möglich sein, auch einjährige in sich abgeschlossene Studiengänge (insbesondere Masterstudiengänge) auch dann komplett mit BAföG zu fördern, wenn sie nicht im EU-Ausland oder der Schweiz nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BAföG absolviert werden, vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BAföG.23

Des Weiteren soll künftig auch dann ein Praktikum im EU-Ausland gefördert werden können, wenn dieses nicht mindestens 12 Wochen erreicht, sofern eine vergleichbare Ausbildung im Inland förderungsfähig wäre, vgl. § 5 Abs. 5 S. 3 i.V.m S. 2 BAföG.

Von der Neuregelung können insbesondere junge Menschen profitieren, die sich z.B. für das Angebot von Masterstudiengängen in Großbritannien nach Austritt Großbritanniens aus der EU interessieren, denn einjährige Masterstudiengänge werden „insbesondere im englischsprachigen Raum angeboten“.24 Die Möglichkeit, Erfahrungen im Ausland auch über EU-Grenzen hinweg zu sammeln, kann sich zudem für jene Studierende erweitern, die sich solch einen Studiengang anderweitig nicht leisten könnten. Auch die Förderung kürzer als 12 Wochen dauernder Praktika im EU-Ausland kann zur Erweiterung der internationalen Erfahrungswerte junger Betroffener führen. Der Abbau dieser finanziellen Hürde kann zu mehr Chancengerechtigkeit führen, da durch die BAföG-Fördermöglichkeit die Notwendigkeit elterlicher Unterstützung oder finanzieller Unterstützung durch ein Stipendium geringer wird. Erfahrungen im Ausland zu sammeln kann die spätere Jobsuche und somit den Einstieg in den Arbeitsmarkt erleichtern, indem Auszubildende ihre eigenen Kompetenzen und Qualifikationen mit Blick z.B. auf interkulturelles Arbeiten und das Erlernen von Fremdsprachen verbessern.

Mögliche Flexibilisierung der Studienplanung

§§ 10 Abs. 3 S. 1, 15a Abs. 1b BAföG

Die Altersgrenze für den Beginn der Ausbildung soll von 30 bzw. 35 Jahren (für den Beginn eines Masterstudiums) auf 45 Jahre angehoben und vereinheitlicht25 werden, vgl. § 10 Abs. 3 S. 1 BAföG.

Künftig soll über die Möglichkeit einer Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung im Fall von überregionalen schwerwiegenden Beeinträchtigung des Lehrbetriebs – etwa bei Aussetzen der Präsenzlehre aufgrund von pandemischen Einschränkungen26 – die Förderungshöchstdauer über die Regelstudienzeit nach § 15a Abs. 1 BAföG i.V.m. § 10 Abs. 2 Hochschulrahmengesetz hinaus möglich werden, vgl. § 15a Abs. 1b BAföG.

Die deutliche Anhebung und Vereinheitlichung der Altersgrenze bei Beginn der geförderten Ausbildung kann auch bereits für jüngere BAföG-Beziehende oder Studieninteressierte Auswirkungen haben. Dann nämlich, wenn dies den jungen Menschen eine Flexibilisierung ihrer Studien- bzw. Lebensplanung ermöglicht. Es könnte damit erreicht werden, dass junge Interessierte beispielsweise nicht unbedingt direkt nach der Schulzeit ein Studium aufnehmen, sondern zunächst praktische Erfahrungen sammeln, sich sozial engagieren oder Auslandsaufenthalte planen. Selbiges könnte bei bereits jungen BAföG-Beziehenden auch für pausierende Phasen zwischen Studiengängen gelten, zum Beispiel zwischen Bachelorabschluss und Beginn des Masters. Somit könnte aus dieser Lebensphase etwas Druck genommen werden, der entstehen könnte, wenn sich diese Phasen bis zum 30. bzw. 35. Lebensjahr abgespielt haben müssen. Das Studium oder die Ausbildung könnten dann im Anschluss mit mehr Lebenserfahrung aufgenommen werden.

Die geplante Verordnungsermächtigung zur möglichen Verlängerung der Förderungshöchstdauer des BAföG-Bezugs aufgrund gravierender Krisensituationen kann durch eine nunmehr bundesweit einheitliche Regelung zu mehr Chancengleichheit in Bezug auf Bildungsbedingungen beitragen. Denn durch diese Möglichkeit könnte das Erreichen des Studienabschlusses nunmehr in allen Bundesländern gleich mit mehr Gewissheit bzgl. der Studienförderungsdauer möglich sein. Das könnte wiederum eine Angst vor zusätzlicher Verschuldung für den Fall minimieren, dass die Förderung sonst mit Ende der Regelstudienzeit abliefe und junge Menschen einen Kredit zur weiteren Studienfinanzierung aufnehmen müssten.

Vereinfachung der Antragstellung

§ 46 Abs. 1 BAföG, § 19 Abs. 1 S. 1 AFBG

Künftig soll keine Originalunterschrift oder ein schriftformersetzendes Authentisierungsverfahren bei der digitalen Antragstellung von BAföG oder für Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) mehr nötig sein, vgl. § 46 Abs. 1 BAföG, § 19 Abs. 1 S. 1 AFBG. Bisher konnte z.B. der Antragsassistent „BAföG Digital“ zwar auch schon eine digitale Antragstellung ermöglichen, jedoch musste im letzten Schritt der Antrag entweder zum Unterscheiben ausgedruckt werden oder aber durch das schriftformersetzendes Authentisierungsverfahren signiert werden.27

Durch eine Vereinfachung der Antragsstellung könnte der Zugang zu einer BAföG-Förderung oder einer Leistung nach dem AFBG niedrigschwelliger werden und sich der Kreis an BAföG-Geförderten und Leistungsbeziehenden nach dem AFBG erhöhen. Insbesondere junge Menschen, die den Antragsassistenten „BAföG Digital“ nutzen wollen, wurden bisher durch die Notwendigkeit der Originalunterschrift oder eines schriftformersetzendes Authentisierungsverfahrens an dessen erleichternder Nutzung gehindert. Authentisierungsverfahren, wie beispielsweise die eID-Funktion des Personalausweises, sind nicht ausreichend verbreitet, sodass eine durchgehend digitale Antragsstellung bisher für viele junge Leute nicht möglich war.28 Ein vollständig digital einzureichender Antrag würde insbesondere der Lebensrealität der jungen Generation, die an digitale Prozesse gewöhnt ist, eher entsprechen und die mit dem Papier-Antrag verbundene Fehlerquote reduzieren.29 Jugendliche haben heutzutage einen einfachen Zugang zur digitalen Welt: In fast allen Haushalten, in denen Jugendliche leben, „sind Smartphones, ein WLAN-Anschluss und Computer/Laptops vorhanden.“30 Somit nehmen künftig ggf. auch BAföG-Berechtigte die Hürde einer Antragsstellung, die sich vormals aufgrund formaler Hürden haben abschrecken lassen.

 

  1. Vgl. „Entwurf eines siebenundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (27. BAföGÄndG)“, 25. März 2022, 14.
  2. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 1.
  3. §§ 2 – 7 BAföG, geltendes Recht.
  4. §§ 8 – 10 BAföG, geltendes Recht.
  5. Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), „50 Jahre BAföG: Weniger geförderte Personen, Förderbeträge steigen“, Pressemitteilung Nr. N 052, 31. August 2021.
  6. Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), „BAföG-Statistik: 6,0 % weniger Geförderte im Jahr 2020“, Pressemitteilung Nr. 369, 5. August 2021.
  7. Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), „50 Jahre BAföG: Weniger geförderte Personen, Förderbeträge steigen“.
  8. Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis).
  9. § 19 Abs. 1 SGB III, geltendes Recht.
  10. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 14.
  11. BT-Drucksache 18/11050, „15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland“ (Berlin, 2017), 96.
  12. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 14.
  13. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 26; Vgl. Statistisches Bundesamt (Destatis), „Inflationsrate im Februar 2022 voraussichtlich +5,1%“, Pressemitteilung Nr. 081, 1. März 2022.
  14. Vgl. Andrej Holm u. a., Wie viele und welche Wohnungen fehlen in deutschen Großstädten? Die soziale Versorgungslücke nach Einkommen und Wohnungsgröße, hg. von Hans-Böckler-Stiftung, Forschungsförderung Working Paper 063, 2018, 10.
  15. Vgl. Gudrun Wansing, „Inklusion und Exklusion durch Erwerbsarbeit. Bedeutung (nicht nur) für Menschen mit Behinderungen“, Politikum 5, Nr. 1 (2019): 28.
  16. Vgl. Dieter Dohmen u. a., „Ermittlung der Lebenshaltungskosten von Studierenden: Aktualisierte Berechnung anhand der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks. Endbericht einer Studie für das Deutsche Studentenwerk“ (Berlin: FiBS – Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie, 2019), 25.
  17. Vgl. Dieter Dohmen u. a., 25.
  18. Vgl. Elke Middendorff u. a., „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016. 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), 2017), 50 (Siehe Bild 4.17).
  19. Vgl. Middendorff u. a., „Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016. 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks“.
  20. Vgl. Ralph Henger u. a., „Wohnen in der Stadt: Wege zur Lösung eines Knappheitsproblems“, Wirtschaftsdienst 99, Nr. 9 (2019): 603.
  21. Vgl. „Nach zwei Jahren ‚Corona-Stagnation‘ starker Anstieg der Wohnkosten für Studierende erkennbar – Weiterer deutlicher Preissprung in 2022 erwartet“, 2022, https://moses-mendelssohn-institut.de/presse/PMHochschulstaedtescoring22.pdf (zuletzt aufgerufen am: 04.03.2022).
  22. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 27.
  23. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 23.
  24. „27. BAföGÄndG“, 21.
  25. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 25.
  26. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 28.
  27. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 32.
  28. Vgl. „27. BAföGÄndG“, 2.
  29. Vgl. Nationaler Normenkontrollrat, „Zwei Jahre nach dem Bericht ‚Einfacher zum Studierenden-BAföG‘. Der Nationale Normenkontrollrat zieht eine Zwischenbilanz“, 2012, 4, https://www.normenkontrollrat.bund.de/resource/blob/72494/444090/e53e4f3c12023bf97674903460720df8/2012-07-11-zwischenbilanz-bafoeg-data.pdf (zuletzt aufgerufen am: 01.03.2022).
  30. Sabine Feierabend u. a., „JIM-Studie 2020. Jugend, Information, Medien“ (Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2020), 66.

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