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28. BAföG-Änderungsgesetz

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (28. BAföGÄndG) (Stand: 13.04.2022)

Verantwortliches Ressort:
Bildung und Forschung
Veröffentlichung vom:
26.04.2022
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Arbeit
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Betroffene
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, Schülerinnen und Schüler, Studierende, alle Staatsangehörigkeiten

Ziel des Gesetzentwurfs

Mit dem Entwurf eines achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (28. BAföGÄndG) sollen Vorsorge für künftige bundesweite Krisen mit erheblichen Folgen auf dem Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Erwerbstätigkeiten von Auszubildenden, wie beispielsweise die Covid-19-Pandemie, getroffen und auch ansonsten vom BAföG-Bezug ausgeschlossene Auszubildende vorübergehend finanziell unterstützt werden können.1 Dadurch sollen im Falle einer solchen Notlage drohende Ausbildungsabbrüche, erhebliche Verzögerungen in der Ausbildung oder gar der Verzicht auf eine solche unterbunden werden.2 Dafür soll die Bundesregierung im Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung ermächtigt werden.3

Mögliche Auswirkungen

Das Kompetenzzentrum Jugend-Check hat folgende mögliche Auswirkungen identifiziert:

  • Bei künftigen bundesweiten Krisen mit erheblichen Folgen auf dem Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Erwerbstätigkeiten von Auszubildenden soll die Bundesregierung ermächtigt werden, durch eine Rechtsverordnung den Kreis der BAföG-Förderungsberechtigten auszuweiten. So könnten auch jene Auszubildenden finanzielle Entlastung erfahren, die ansonsten vom BAföG-Bezug ausgeschlossen sind: Bei einer Nichtanwendung bestimmter Förderungsvoraussetzungen wie z.B. der Pflicht, in Vollzeit zu studieren, könnten Teilzeitstudierende finanziell unterstützt werden (§ 59 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BAföG). Durch die finanzielle Abfederung könnten längere Verzögerungen bei der Ausbildung oder deren Abbruch eher vermieden werden.
  • Außerdem könnten durch diese finanzielle Unterstützung in Krisenzeiten junge Auszubildende mehr Planungssicherheit haben. Durch die Möglichkeit der Begrenzung der Notlage-Förderung auf einen monatlichen Höchstbetrag könnten jedoch Stress und Existenzängste aufgrund finanzieller Unsicherheiten unter den Auszubildenden fortbestehen (§ 59 Abs. 6 Nr. 2 BAföG).

Betroffene Gruppen junger Menschen

Betroffene sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen bis 27 Jahre, die eine Ausbildungsstätte nach § 2 BAföG insbesondere im Inland besuchen, vgl. § 59 Abs. 3 BAföG. Vor allem junge Menschen, die zwar eine förderungsfähige Ausbildung (§§ 2-7 BAföG), etwa eine Ausbildung an einer Hochschule, absolvieren, jedoch BAföG nicht beziehen können – z. B. weil sie die persönlichen Voraussetzungen nicht (mehr) erfüllen4 – sind von der Neuregelung betroffen. Sie finanzieren ihre Ausbildung entweder vollständig oder ergänzend durch ausbildungsbegleitende Nebentätigkeiten. Das Angebot an solchen Arbeitsplätzen kann in einer Notlage – wie in der Covid-19-Pandemie deutlich zu Tage getreten – eingeschränkt sein.5

Daten des DZHW zufolge waren unmittelbar vor der Covid-19-Pandemie noch 57 Prozent befragter Studierender erwerbstätig. Von diesen 57 Prozent befanden sich 37 Prozent aufgrund der Pandemie in einer finanziell schwierigen Situation, da sie entlassen, unbezahlt freigestellt und/oder von Arbeitszeitreduzierungen betroffen waren.6 Von den pandemiebedingten Ausfällen auf dem Arbeitsmarkt sind insbesondere Studierende aus nichtakademischen Elternhäusern betroffen, da sie „öfter in fachfremden Jobs arbeiten und zudem stärker auf ihre Nebeneinkommen angewiesen sind“7. Fällt Letzteres wie während der Covid-19-Pandemie aus, sind die Eltern häufig nicht in der Lage, diese kurzfristigen Einkommensausfälle auszugleichen.8

Betroffene Lebensbereiche

Bildung/Arbeit

Jugendrelevante Auswirkungen

Möglichkeit der Ausweitung der Reichweite der Förderung in einer Notlage

§ 59 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 bis 6 BAföG

Die Bundesregierung soll ermächtigt werden, im Falle einer sog. Notlage mittels einer Rechtsverordnung den Kreis der Förderungsberechtigten nach dem BAföG vorübergehend auszuweiten, vgl. § 59 Abs. 1 S. 1 BAföG. Eine solche Notlage für Auszubildende soll dann vorliegen, wenn es zu erheblichen Nachfrageeinbrüchen auf dem Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Erwerbstätigkeiten kommt und der Bundestag diese auf Antrag der Bundesregierung feststellt, vgl. § 59 Abs. 1 S. 1 BAföG.

In der Rechtsverordnung soll die Bundesregierung bestimmen können, dass die Förderungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BAföG (Vollzeitstudium) und den §§ 7, 10, 11, 15 Abs. 2 S. 2 BAföG sowie § 48 BAföG insbesondere für Auszubildende, die an einer Ausbildungsstätte nach § 2 BAföG im Inland ausgebildet werden, nicht anzuwenden sind, vgl. § 59 Abs. 3 BAföG.

Die Rechtsverordnung soll eine Regelförderung nach dem BAföG, die je zur Hälfte als Zuschuss und als zinsloses Staatsdarlehen erfolgt, im Einzelfall von einem Nachweis der individuellen Betroffenheit von der Notlage abhängig machen und kann für den Fall des Fehlens dieses Nachweises die ausschließliche Gewährung eines zinslosen Darlehens vorsehen, vgl. § 59 Abs. 4, 5 S. 1 BAföG.9 Während die Rechtsverordnung die Unterstützung durch eine Regelförderung bei einem entsprechenden Nachweis in der ersten akuten Phase der Notlage obligatorisch vorsehen soll, soll die Bundesregierung bei einer Notlage von länger als sechs Monaten entscheiden können, ob sie weiterhin eine Regelförderung gewährt oder ob ausschließlich Volldarlehen ohne den Nachweis einer individuellen Betroffenheit der Situation angemessen sind, vgl. § 59 Abs. 5 S. 2 BAföG.

Außerdem soll es der Bundesregierung möglich sein, in der Rechtsverordnung kürzere Bewilligungszeiträume als das derzeit für den Regelfall vorgesehene eine Jahr vorzusehen, vgl. § 59 Abs. 6 Nr. 1 i. V. m. § 50 Abs. 3 BAföG. Ebenso möglich sein soll, dass die Bundesregierung in der Rechtsverordnung die Höhe der Förderung abweichend von § 11 Abs. 1 BAföG auf einen bestimmten monatlichen Höchstbetrag begrenzt, vgl. § 59 Abs. 6 Nr. 2 BAföG.

Die Erfahrungen aus der Covid-19-Pandemie, die insbesondere durch die Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021 zu „massiven Nachfrageeinbrüchen“10 auf dem Arbeitsmarkt führten, haben gezeigt, dass junge Auszubildende in Krisenzeiten spezifische Unterstützungsangebote benötigen – insbesondere dann, wenn die Ausbildung oder das Studium bisher teilweise oder gänzlich über einen Nebenjob abgesichert war, der pandemiebedingt wegfiel.11

Eine solche Unterstützung könnten die betroffenen Auszubildenden bei künftigen Notlagen durch den Erlass einer Rechtsverordnung seitens der Bundesregierung erfahren. Durch eine Ausweitung des Kreises der nach BAföG Förderungsberechtigten könnten auch jene Auszubildenden finanzielle Entlastung erfahren, die ansonsten vom BAföG-Bezug ausgeschlossen sind. Bei einer Nichtanwendung bestimmter Förderungsvoraussetzungen wie etwa der Pflicht, in Vollzeit zu studieren, könnte es auch Studierenden in Teilzeit möglich sein, zur Überbrückung einer Notlage eine Förderung nach dem BAföG zu erhalten. Die Relevanz dieser Regelung wird auch mit Blick auf den Anteil der Teilzeitstudierenden an allen Studierenden deutlich: In Hamburg war dieser im Wintersemester 2019/20 mit 21,1 Prozent bundesweit am größten, gefolgt von 13,1 Prozent in Nordrhein-Westfalen und 12,5 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern12 Im bundesweiten Durchschnitt erreichte die Rate der Teilzeitstudierenden im Vergleich zu Vorjahren mit 7,7 Prozent einen Höchstwert.13 Würden diese Personen in Krisenzeiten eine BAföG-Förderung erhalten, könnte dies dazu beitragen, dass sie auch trotz eines Verlustes ihrer Nebentätigkeiten ihre Ausbildung fortführen, aufnehmen oder rechtzeitig abschießen. Diese Unterstützung wäre zum einen in finanzieller Hinsicht wertvoll, denn rund ein Drittel der Studierenden hat vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie Sorge vor finanziellen Einbußen.14 Zum anderen könnten auch Stress und psychische Belastungen reduziert werden, wenn trotz Wegfall des Nebenjobs aufgrund einer Krise zumindest die finanzielle Belastung abgefedert würde.15

Des Weiteren könnte im Falle einer entsprechenden Rechtsverordnung das Antragsverfahren durch den Wegfall individueller Antragsvoraussetzungen für die Dauer der Notlage vereinfacht16 und möglicherweise beschleunigt werden. Auch könnte der zeitweise Wegfall bestimmter Antragsvoraussetzungen bürokratische Hürden minimieren und so mehr junge und oftmals mit bürokratischen Verfahren unerfahrene Menschen zu einer Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten motivieren.

Der Verzicht auf die Nachweispflicht zur Gewährung eines zinslosen Darlehens kann ebenfalls den Kreis der finanziell Geförderten erweitern. Jedoch könnte durch die Möglichkeit, dass die Bundesregierung kürzere Bewilligungszeiträume als das derzeit für den Regelfall vorgesehene eine Jahr gewähren kann, die Planbarkeit der Ausbildung erschwert und damit die gesicherte Fortführung gefährdet werden. Selbiges gilt für Unsicherheiten in der Fortführung der Regelförderung auch über die erste akute Krisenphase von sechs Monaten hinaus.

Die Möglichkeit, durch die Rechtsverordnung – unabhängig vom normalerweise von der Ausbildungsförderung umfassten Bedarf für den Lebensunterhalt und die Ausbildung – die Höhe der Notlage-Förderung auf einen bestimmten monatlichen Höchstbetrag zu begrenzen, könnte dazu führen, dass die finanzielle Belastung der Auszubildenden, z. B. nach Wegfall des bisherigen Nebenjobs, nicht ausreichend abgefedert wird und sich die betroffene Person trotz Überbrückungshilfe nicht ausreichend auf die Ausbildung bzw. das Studium konzentrieren kann. Somit könnten Stress und Existenzängste aufgrund finanzieller Unsicherheiten unter den Auszubildenden dennoch entstehen bzw. fortbestehen.

Anmerkungen und Hinweise

In der Rechtsverordnung soll die Bundesregierung auch regeln müssen, wie der für die Regelförderung notwendige Nachweis der individuellen Betroffenheit von der Notlage zu führen sein soll, vgl. § 59 Abs. 4 BAföG. Hier gilt es zu beachten, dass keine überspannten Anforderungen an junge Menschen gestellt werden, da insbesondere der Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Verlust einer Nebentätigkeit und einer Notlage schwer zu führen ist.17

  1. Vgl. „Entwurf eines achtundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes“, 13. April 2022, 2.
  2. Vgl. „28. BAföGÄndG“, 2; 6f.
  3. Vgl. „28. BAföGÄndG“, 6.
  4. Vgl. „28. BAföGÄndG“, 1f.
  5. Vgl. „28. BAföGÄndG“, 6.
  6. Vgl. Karsten Becker und Markus Lörz, „Studieren während der Corona-Pandemie: Die finanzielle Situation von Studierenden und mögliche Auswirkungen auf das Studium“, DZHW Brief 9 (2020): 1; 4, https://www.dzhw.eu/publikationen/pub_show?pub_id=6903&pub_type=kbr (zuletzt aufgerufen am: 22.04.2022).
  7. Jan Berkes, Frauke Peter, und C Katharina Spieß, „Wegfall von Studi-Jobs könnte Bildungsungleichheiten verstärken“, DIW aktuell, Nr. 44 (2020): 1.
  8. Vgl. Berkes, Peter, und Spieß, 4.
  9. Vgl. „28. BAföGÄndG“, 6; 9.
  10. „28. BAföGÄndG“, 1.
  11. Vgl. Berkes, Peter, und Spieß, „Wegfall von Studi-Jobs könnte Bildungsungleichheiten verstärken“, 1.
  12. Vgl. Jan Thiemann, „CHECK – Teilzeitstudium in Deutschland“ (Gütersloh: CHE gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung, 2021), 9.
  13. Vgl. Thiemann, 8.
  14. Vgl. KKH Kaufmännische Krankenkasse, „Corona stresst Studierende und Auszubildende stark“, 2021, https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/stuzubis (zuletzt aufgerufen am: 22.04.2022).
  15. Vgl. Andrea Porz, Studierende: gestiegener Beratungsbedarf in der Pandemie, interviewt von Deutsches Studentenwerk, 8. Februar 2022, https://www.studentenwerke.de/de/content/studierende-gestiegener-beratungsbedarf (zuletzt aufgerufen am: 22.04.2022).
  16. Vgl. „28. BAföGÄndG“, 7.
  17. Vgl. „28. BAföGÄndG“, 9.

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