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Änderung Jugendschutzgesetz

Veröffentlichung des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes (Stand: 10.02.2020)

Verantwortliches Ressort:
Familien, Senioren, Frauen und Jugend
Veröffentlichung vom:
19.10.2020
Betroffene Lebensbereiche:
Digitales, Familie, Freizeit
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Betroffene
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, alle Lern- und Erwerbsverhältnisse, alle Staatsangehörigkeiten

Prüfbericht

  • Regelungsvorhaben

    Mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes sollen die Vorgaben des Koalitionsvertrages umgesetzt werden, nach denen „ein zeitgemäßer Jugendmedienschutz den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor gefährdenden Inhalten sicherstellen, den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte und ihrer Daten gewährleisten und die Instrumente zur Stärkung der Medienkompetenz weiterentwickeln“1 soll. Das Jugendschutzgesetz soll geändert werden, um „Kindern und Jugendlichen eine unbeschwerte Teilhabe an den für sie relevanten Medien in sicheren Interaktionsräumen zu ermöglichen und auch die Eltern entsprechend zu stärken“.2
    Im Einzelnen werden dazu in § 10a Jugendschutzgesetz (JuSchG) Schutzziele des Kinder- und Jugendmedienschutzes definiert. So sollen Kinder und Jugendliche vor sogenannten entwicklungsbeeinträchtigenden Medien geschützt werden, also solchen, die ihre Entwicklung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Personen beeinträchtigen können, vgl. § 10a Nr. 1 JuSchG. Darüber hinaus sollen Kinder und Jugendliche auch vor sogenannten jugendgefährdenden Medien geschützt werden, also solchen, die in der Lage sind, ihre Entwicklung oder „Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden“, § 10a Nr. 2 JuSchG. Zudem soll auch ihre persönliche Integrität bei der Mediennutzung geschützt werden, vgl. § 10a Nr. 3 JuSchG. Darüber hinaus soll die Orientierung für sie, ihre Eltern, Personensorgeberechtigte und pädagogische Fachkräfte bei der Medienerziehung und Mediennutzung gefördert werden, vgl. § 10a Nr 4 JuSchG. Als entwicklungsbeeinträchtigend sollen jene Medien gelten, die „insbesondere übermäßig [ängstigend sind], Gewalt [befürworten] oder das sozialethische Wertebild“3 beeinträchtigen, vgl. § 10b S. 1 JuSchG.
    „Film- und Spielplattformen, die als Dienstanbieter Filme oder Spielprogramme in einem Gesamtangebot zusammenfassen und mit Gewinnerzielungsabsicht als eigene Inhalte“4 nach § 7 TMG zum jederzeit möglichen individuellen Abruf vorhalten, sollen verpflichtet werden, diese Inhalte bei „einer Entwicklungsbeeinträchtigung mit einer entsprechenden deutlichen Kennzeichnung“5, die nach § 14a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 JuSchG vorgenommen wurde, zu versehen, vgl. § 14a Abs. 1 S. 1 JuSchG. Diese Verpflichtung soll nicht gelten, sofern die Film- oder Spielplattform in Deutschland weniger als eine Million Nutzerinnen oder Nutzer hat, vgl. § 14a Abs. 2 JuSchG. Zudem sollen Medien, die als jugendgefährdende Medien nach § 24 Abs. 3 S.1 eingestuft sind, nicht als Telemedien an Orten vorgeführt werden, die Kindern oder Jugendlichen zugänglich sind oder von diesen eingesehen werden können, vgl. § 15 Abs. 1a JuSchG.
    Fortan sollen nach § 24a Abs. 1 S. 1 JuSchG „Dienstanbieter, die fremde Informationen für Nutzerinnen und Nutzer mit Gewinnerzielungsabsicht speichern oder bereitstellen“, die Schutzziele nach § 10a Nr. 1-3 JuSchG durch angemessene und wirksame strukturelle Vorsorgemaßnahmen wahren. Diese Verpflichtung soll nicht für journalistisch-redaktionelle selbstverantwortete Angebote sowie für Anbieterinnen und Anbieter, deren Angebot sich nicht an Kinder oder Jugendliche richtet und von diesen auch nicht genutzt wird, gelten, vgl. § 24a Abs. 1 S. 2 JuSchG. Die vorgeschriebenen Vorsorgemaßnahmen können dabei beispielsweise nach § 24a Abs. 2 Nr. 2 JuSchG „die Bereitstellung eines Melde- und Abhilfeverfahrens mit einer für Kinder und Jugendliche geeigneten Benutzerführung, im Rahmen dessen insbesondere minderjährige Nutzer und Nutzerinnen Beeinträchtigungen ihrer persönlichen Integrität durch nutzergenerierte Informationen dem Dienstanbieter melden können“ sein. Eine weitere Möglichkeit soll darin bestehen, Voreinstellungen so einzurichten, dass Nutzungsrisiken für Minderjährige ihrem Alter entsprechend begrenzt werden, indem ohne anderslautende Einwilligung beispielsweise weder Standort- noch Kontaktdaten veröffentlicht werden, die Kommunikation mit anderen Nutzenden nur mit einem vorab selbst bestimmten Personenkreis möglich ist und die Nutzung nur anonym erfolgt, vgl. § 24a Abs. 2 Nr. 7 b, c, d JuSchG.

  • Betroffene Gruppen junger Menschen

    Betroffen sind in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe junge Menschen unter 18 Jahren, die digitale Medien nutzen. In der Gruppe der 12- bis 19- Jährigen besitzen 97 Prozent ein Smartphone, 69 Prozent einen Computer bzw. Laptop, sowie 47 Prozent eine feste Spielkonsole.11 Ein Smartphone besitzen dabei bereits 95 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 13 Jahren.12 Vor diesen Hintergrund ist davon auszugehen, dass nahezu jede und jeder Jugendliche unter 18 Jahren von dem Gesetzesvorhaben betroffen ist.
    Eine weitere betroffene Gruppe bilden junge Eltern bzw. Personensorgeberechtigte sowie pädagogische Fachkräfte in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 27 Jahre.

  • Betroffene Lebensbereiche
    Digitales, Familie, Freizeit
  • Erwartete Auswirkungen

    Die Einführung von Schutzzielen des Kinder- und Jugendmedienschutzes kann dazu beitragen, junge Menschen besser vor Gewalt zu schützen und „präventiv in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen“.15 Zugleich kann das Schutzziel, Jugendliche, ihre Erziehungsberechtigten sowie pädagogische Fachkräfte bei der Medienerziehung zu unterstützen, zu einer besseren Medienkompetenz16 Jugendlicher beitragen. Die Schutzziele können sich somit auch auf die Mediennutzung und den Medienzugang junger Menschen auswirken, in dem sie zum einen den Zugang zu entwicklungsbeeinträchtigenden und jugendgefährdenden Medien erschweren und zum anderen zu einem selbstbestimmteren Umgang mit Medien beitragen können. Durch stärkere Schutzbestimmungen kann es jedoch auch zu einem erschwerten Zugang in Bezug auf die Mediennutzung junger Menschen kommen, denn gerade Jugendliche finden „in den digital vernetzten Medien einen sozio-technischen Möglichkeitsraum um die Kernherausforderungen der Jugendphase zu bearbeiten“17. Daher ist es wichtig, einen altersgerechten Zugang zu gewährleisten, der unterschiedliche Alters- und Entwicklungsstufen berücksichtigt.
    Die Definition von entwicklungsbeeinträchtigenden Medien in § 10b JuSchG erlaubt neben der Beurteilung des Medieninhalts auch die Berücksichtigung von Auswirkungen auf die persönliche Integrität Jugendlicher, wodurch Aspekte wie eine exzessive Nutzung von Angeboten oder die Möglichkeit z.B. in einer App uneingeschränkt Käufe zu tätigen, in die Altersbewertung mit einbezogen werden können.18 Davon können Jugendliche betroffen sein, wenn sie kostenfreie Spiele-Apps herunterladen und dort innerhalb des Spielverlaufs zum Kauf digitaler Güter animiert werden, wodurch eine Kostenfalle entstehen kann. Zugleich kann es in manchen Spielen notwendig sein, Freundinnen und Freunde einzuladen, um das Ziel des Spiels (schneller) zu erreichen.19 Daher könnten sie in diesem Zusammenhang vor materiellen Belastungen als auch vor einer exzessiven Mediennutzung geschützt werden.
    Einen Schutz sowie eine Orientierungshilfe kann jungen Menschen dahingehend gegeben werden, dass fortan Online-Inhalte von Film- und Spielplattformen, wie z.B. Video-on-Demand-Dienste oder digitale Spiele, bei Vorliegen entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte ausdrücklich durch eine Altersangabe gekennzeichnet werden müssen.20 Die psychische Belastung junger Menschen kann zudem verringert werden, da sie weniger den Gefahren von jugendgefährdenden Medien ausgesetzt sein können. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn etwa auf einer privaten Feier neonationalistische Propagandavideos21 aus dem Internet gezeigt werden.
    Minderjährige, die Online-Angebote nutzen, können darüber hinaus dadurch vor Gewalt geschützt werden, indem Anbieter verpflichtet werden, die Schutzziele nach § 10a Abs. 1-3 JuschG durch strukturelle Vorsorgemaßnahmen zu erreichen. Zu diesen Anbietern zählen jene, die fremde Informationen mit einer Gewinnerzielungsabsicht bereitstellen, was beispielsweise Facebook, YouTube, Instagram oder Tiktok betreffen kann. Deren Angebote werden insbesondere auch von Minderjährigen genutzt: Die beliebtesten Internetangebote von Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren sind YouTube (62%), WhatsApp (40%) sowie Instagram (27%).22 Die Möglichkeit ein Melde- oder Abhilfeverfahren in Bezug auf entwicklungsbeeinträchtigende oder die persönliche Integrität betreffende Medien bereitzuhalten, kann dazu beitragen, beleidigende oder diskriminierende Inhalte schneller zu unterbinden. Insbesondere die Möglichkeit solche Verfahren mit einer für minderjährige Nutzerinnen und Nutzer geeigneten Benutzerführung anzubieten, kann ihre Selbstbestimmung sowie ihre individuellen Rechte stärken, da sie selbst in die Lage versetzt werden, gegen „Persönlichkeitsrechtsverletzungen“23 vorzugehen. Dies kann einen Schutz vor Diskriminierung und etwa Cyber-Mobbing bedeuten. So gibt jeder fünfte Jugendliche an, dass bereits falsche oder beleidigende Inhalte im Internet oder per Smartphone über die eigene Person verbreitet wurden.24 Zu bedenken ist jedoch, dass trotz der vereinfachten Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte solche Kommentare, die einmal im Internet sind, sich schnell verbreiten können und damit auch auf anderen Webseiten oder Plattformen noch abrufbar sein können.
    Zudem kann das Gesetz die individuellen Rechte von jungen Menschen stärken, indem neue Regelungen zu Personendaten dazu führen, dass die Identität junger Menschen geschützt wird. Dies kann jungen Menschen eine unbeschwertere Nutzung von medialen Online-Angeboten ermöglichen, da ihnen durch diese Maßnahmen ein sicherer Raum geboten werden kann.

  • Anmerkungen und Hinweise

    Keine.

     

  • Datenbasis

    Literaturrecherche, Sekundärdaten

  1. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 10. Februar 2020, 1.
  2. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 1.
  3. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 5.
  4. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 7.
  5. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 7.
  6. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 10. Februar 2020, 1.
  7. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 1.
  8. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 5.
  9. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 7.
  10. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 7.
  11. Vgl. Sabine Feierabend, Thomas Rathgeb, und Theresa Reutter, „JIM-Studie 2018. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger“ (Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs), 2018), 8 Gerätebesitz Jugendlicher 2018.
  12. Vgl. Feierabend, Rathgeb, und Reutter, 10 Gerätebesitz Jugendlicher 2018.
  13. Vgl. Sabine Feierabend, Thomas Rathgeb, und Theresa Reutter, „JIM-Studie 2018. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger“ (Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (mpfs), 2018), 8 Gerätebesitz Jugendlicher 2018.
  14. Vgl. Feierabend, Rathgeb, und Reutter, 10 Gerätebesitz Jugendlicher 2018.
  15. BT-Drucksache 18/11050, „15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland“ (Berlin, 2017), 310.
  16. Vgl. BT-Drucksache 18/11050, 310.
  17. BT-Drucksache 18/11050, 327.
  18. Vgl. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 45.
  19. Vgl. Bundesprüfstelle jugendgefährdende Medien, „Gefährdungsatlas Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.“, September 2019, 123.
  20. Vgl. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 49.
  21. Vgl. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 51.
  22. Vgl. Feierabend, Rathgeb, und Reutter, „JIM-Studie 2018. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger“, 35.
  23. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 68.
  24. Vgl. Feierabend, Rathgeb, und Reutter, „JIM-Studie 2018. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger“, 62.
  25. BT-Drucksache 18/11050, „15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland“ (Berlin, 2017), 310.
  26. Vgl. BT-Drucksache 18/11050, 310.
  27. BT-Drucksache 18/11050, 327.
  28. Vgl. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 45.
  29. Vgl. Bundesprüfstelle jugendgefährdende Medien, „Gefährdungsatlas Digitales Aufwachsen. Vom Kind aus denken. Zukunftssicher handeln.“, September 2019, 123.
  30. Vgl. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 49.
  31. Vgl. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 51.
  32. Vgl. Feierabend, Rathgeb, und Reutter, „JIM-Studie 2018. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger“, 35.
  33. „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes“, 68.
  34. Vgl. Feierabend, Rathgeb, und Reutter, „JIM-Studie 2018. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger“, 62.

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