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Faire Verbraucherverträge (aktualisiert)

Veröffentlichung des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge (Stand: 16.12.2020)

Verantwortliches Ressort:
Justiz und Verbraucherschutz
Veröffentlichung vom:
21.12.2020
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Arbeit, Digitales, Freizeit, Politik/Gesellschaft
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Betroffene
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, alle Lern- und Erwerbsverhältnisse, alle Staatsangehörigkeiten

Prüfbericht

  • Regelungsvorhaben

    Mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge sollen die Position von Verbraucherinnen und Verbrauchern gegenüber Unternehmen verbessert, die Verbraucherverträge fairer gestaltet und der Verbraucherschutz gestärkt werden.1

    In Zukunft sollen Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) über Verbraucherverträge, die ein Dauerschuldverhältnis begründen und eine von bis zu zwei Jahren bindende Laufzeit vorsehen, zwar auch, wie bislang, weiterhin möglich sein, vgl. § 309 Nr. 9 a aa Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).2 Allerdings soll die Wirksamkeit von länger als einem Jahr und höchstens bis zu zwei Jahren bindenden Vertragslaufzeiten nur dann bestehen, wenn der Verbraucherin oder dem Verbraucher auch ein „Vertrag über die gleiche Leistung mit einer Laufzeit von einem Jahr zu einem Preis [angeboten wird], welcher den Preis für den Vertrag mit der längeren Laufzeit nicht um mehr als 25 Prozent im Monatsdurchschnitt übersteigt“3, vgl. § 309 Nr. 9 a bb BGB. Weiterhin soll eine stillschweigende Verlängerung dieser Verbraucherverträge um ein Jahr, wie bislang auch, möglich bleiben, vgl. § 309 Nr. 9 b aa BGB.4 Auch hierbei soll die Wirksamkeit einer Verlängerung von über drei Monaten bis zu einem Jahr aber an die Bedingung geknüpft sein, dass die Verwenderin oder der Verwender der AGB gegenüber der Verbraucherin oder dem Verbraucher rechtzeitig „vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer in Textform“5 ihren in § 309 b bb aaa-ccc BGB genannten Hinweispflichten nachkommt, , vgl. § 309 Nr. 9 b bb BGB. Es soll dabei auf den Zeitpunkt, zu dem die vereinbarte Vertragslaufzeit endet und zu dem die Kündigung spätestens eingehen muss sowie auf den Zeitraum, um den sich der Vertrag bei nicht rechtzeitiger Kündigung verlängert, hingewiesen werden, vgl. § 309 Nr. 9 b bb aaa – ccc BGB. Eine Kündigung des Verbrauchervertrages soll künftig innerhalb einer Kündigungsfrist von einem Monat möglich sein, vgl. § 309 Nr. 9 c BGB.

    Beim Kauf gebrauchter Sachen können die Vertragsparteien eine Gewährleistungsfrist von einem Zeitraum nicht unter einem Jahr für einen Mangel vereinbaren, der sich seit Ablieferung der gebrauchten Sache gezeigt hat, § 476 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB.

    Die bisher geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sollen weiterhin auf Schuldverhältnisse, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden sind, angewendet werden, vgl. Art. 2296 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB).

    Künftig sollen Energielieferverträge im Bereich von Haushaltkundinnen und Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung der Textform bedürfen, um wirksam zu sein, vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG).7 Unternehmerinnen und Unternehmer sollen zudem verpflichtet werden eine vor der Telefonwerbung ausdrücklich durch Verbraucherinnen oder Verbraucher zu erteilende Einwilligung in die Telefonwerbung zum Zeitpunkt der Erteilung zu dokumentieren, vgl. § 7a Abs. 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).8 Der Nachweis über die Erteilung der Einwilligung soll ab dem Zeitpunkt der Erteilung und nach jeder Verwendung der Einwilligung fünf Jahre aufbewahrt werden müssen, vgl. § 7a Abs. 2 S. 1 UWG.

  • Betroffene Gruppen junger Menschen

    Betroffene sind vorrangig junge Menschen, in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe zwischen 18 bis 27 Jahren, die Verbraucherverträge über Dauerschuldverhältnisse schließen können. Weitere Betroffene sind junge beschränkt geschäftsfähige Menschen zwischen 12 und 17 Jahren, die mit Einwilligung oder Genehmigung ihrer gesetzlichen Vertreterinnen oder Vertreter Verbraucherverträge über Dauerschuldverhältnisse schließen können.

    Zudem sind junge Menschen betroffen, die mit Energieversorgungsunternehmen etwa auf dem telefonischen Wege Verträge schließen.

    Betroffen im Sinne des Jugend-Checks sind weiterhin junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren, die von Unternehmen durch Werbeanrufe kontaktiert werden.

  • Betroffene Lebensbereiche
    Bildung/Arbeit, Digitales, Freizeit, Politik/Gesellschaft
  • Erwartete Auswirkungen

    Die Änderungen hinsichtlich der Laufzeiten von als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Verbraucherverträgen und hinsichtlich der stillschweigenden Verlängerung dieser sowie der Kündigungsfrist dieser Verträge auf einen Monat, können sich förderlich auf die materielle Situation junger Menschen auswirken. Gerade junge Menschen können von den kürzeren Kündigungsfristen und ggf. kürzeren Laufzeiten profitieren, denn sie müssen beispielsweise hinsichtlich Ausbildung oder Studium besonderes flexibel sein. So kann es zum Beispiel für sie zu Beginn ihrer Ausbildung schwierig sein, ihre Mediennutzung abzuschätzen. Dies kann sich beispielsweise darin äußern, ob und welcher Mobilfunkvertrag für sie in Zukunft ihren Bedürfnissen entsprechen wird. Es kann dazu kommen, dass sie hohe Kosten für einen Vertrag zahlen müssen, den sie schon nach kurzer Zeit nicht mehr in vollem Umfang benötigen. Weiterhin können die kürzeren Vertragslaufzeiten dazu führen, dass junge Verbraucherinnen und Verbraucher freier zwischen verschiedenen Vertragsangeboten wählen können. Dadurch können sie selbstbestimmter Entscheidungen über Verträge treffen.

    Auch junge verschuldete Menschen können von den Neuregelungen profitieren, indem sie früher ihre vertraglichen Pflichten kündigen können. Dies kann helfen, eine Überschuldung einzugrenzen bzw. diese sogar zu vermeiden. Die Relevanz für die Zielgruppe zeigt sich beispielsweise daran, dass im Jahr 2018 rund 27 Prozent der Schuldnerinnen und Schuldner unter 25 Jahren in Schuldnerberatungsstellen aufgrund unwirtschaftlicher Haushaltsführung beraten wurden. Insbesondere zeigt sich, dass rund 65 Prozent17 der Schuldnerinnen und Schuldner unter 25 Jahren unter anderem bei Telekommunikationsunternehmen verschuldet sind.18

    Darüber hinaus kann die künftig vorgesehene Textform für die Wirksamkeit von Energielieferverträgen (Gas- oder Stromlieferverträge) junge Menschen davor schützen letztlich ungewollte oder nicht benötigte Verträge abzuschließen, was ihren materiellen status quo insofern schützt. Denn das Erfordernis einer Textform erschwert der Unternehmerin oder dem Unternehmer „das Vorspiegeln eines Vertragsabschlusses“19 und kann einer „unseriösen Vorgehensweise“20 vorbeugen. Zudem kann die Textform einer wahrheitswidrig geschönten Darstellung des Vertragsinhaltes entgegenwirken, die unerwünschte und unvorhersehbare Folgekosten verursachen kann. Des Weiteren kann durch dieses Erfordernis ein unbedachter, überrumpelnder Vertragsabschluss junger Menschen vermieden werden, da sie sich mit dem Inhalt des Vertrages in Ruhe auseinandersetzen und entscheiden können, ob sie diesen Vertrag schließen können und möchten.21 So brauchen sie auch keine Sorge zu haben, dass insbesondere ein Telefongespräch allein zu einem Vertragsabschluss führen kann.22

    Weiterhin kann die erforderliche dokumentationspflichtige Einwilligung in Telefonwerbung junge Menschen umfassender davor schützen, dass sie ungewollte und unerlaubte Werbeanrufe erhalten. Hierdurch kann einer Verunsicherung über das Vorliegen eines Vertragsschlusses entgegengewirkt werden. Dies kann zu einer Stärkung der individuellen Rechte junger Menschen beitragen, die so evtl. ungerechtfertigte Rechnungen leichter als solche identifizieren können.

    Kaufen junge Menschen gebrauchte Gegenstände von Unternehmerinnen und Unternehmern kann eine Haftungserleichterung der Verkäuferin oder des Verkäufers dergestalt vereinbart werden, dass diese oder dieser nur haftet, wenn sich ein Mangel nach Ablieferung der Sache zeigt. Der Haftungszeitraum darf hierbei die zeitliche Grenze von einem Jahr nicht unterschreiten.23 Dadurch kann die Durchsetzbarkeit vertraglicher Nacherfüllungsrechte gestärkt werden. Dies kann sich auch in materieller Hinsicht auswirken, da entweder ein Anspruch auf eine Reparatur oder auf eine Ersatzlieferung gleichwertiger gebrauchter Gegenstände bestehen kann.

    Insgesamt werden die individuellen Rechte junger Menschen gestärkt, da sie ihre Positionen und Rechte gegenüber Unternehmen besser durchsetzen können.

  • Anmerkungen und Hinweise

    Die Neuregelungen gelten jedoch nicht für bereits bestehende Verträge, sodass junge Menschen erst ab Inkrafttreten des Gesetzes von den Änderungen profitieren können.

    Zudem ist vorgesehen, dass Verträge nur noch mit einer Laufzeit von einem Jahr wirksam sein sollen, es sei denn, die Unternehmer halten sich an die vorgesehene Bedingung für längere Vertragslaufzeiten.

    Der Referentenentwurf sah eine Vertragslaufzeit von einem Jahr vor, ohne an eine Bedingung geknüpft zu sein. Mit der nun vorgesehenen Regelung könnte vermutet werden, dass mehr junge Menschen Verträge mit einer Laufzeit von zwei Jahren abschließen. Denn insbesondere junge Menschen verfügen über geringe materielle Ressourcen, weshalb vermutet werden kann, dass sie eher nach dem Preis anstatt nach der Vertragslaufzeit entscheiden. Kurze Vertragslaufzeiten können für junge Menschen aber wichtig sein, da sich ihre Lebensumstände und finanzielle Ressourcen häufiger ändern.

  • Datenbasis

    Literaturrecherche, Sekundärdaten

  1. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 16. Dezember 2020, 1.
  2. Im geltenden Recht § 309 Nr. 9 a BGB.
  3. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 3.
  4. Im geltenden Recht § 309 Nr. 9 b BGB.
  5. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 4.
  6. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 5 f.
  7. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 11.
  8. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 32 f.
  9. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 16. Dezember 2020, 1.
  10. Im geltenden Recht § 309 Nr. 9 a BGB.
  11. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 3.
  12. Im geltenden Recht § 309 Nr. 9 b BGB.
  13. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 4.
  14. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 5 f.
  15. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 11.
  16. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 32 f.
  17. Vgl. Statistisches Bundesamt, „Private Überschuldung: Starke Unterschiede zwischen Jung und Alt“, Pressemitteilung (Wiesbaden, 2019).
  18. Die ausgewiesenen Daten beruhen auf Hochrechnungen der Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamts. Bei der Betrachtung gilt es zu beachten, dass es für eine Schuldnerin bzw. einen Schuldner auch mehrere Gläubigerarten geben kann.
  19. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 12.
  20. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 12.
  21. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 11.
  22. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 11.
  23. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 32.
  24. Vgl. Statistisches Bundesamt, „Private Überschuldung: Starke Unterschiede zwischen Jung und Alt“, Pressemitteilung (Wiesbaden, 2019).
  25. Die ausgewiesenen Daten beruhen auf Hochrechnungen der Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamts. Bei der Betrachtung gilt es zu beachten, dass es für eine Schuldnerin bzw. einen Schuldner auch mehrere Gläubigerarten geben kann.
  26. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 12.
  27. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 12.
  28. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 11.
  29. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 11.
  30. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge“, 32.

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