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Gesundheitsversorgung – GVWG

Veröffentlichung des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) (Stand: 23.10.2020)

Verantwortliches Ressort:
Gesundheit
Veröffentlichung vom:
12.11.2020
Betroffene Lebensbereiche:
Familie, Umwelt/Gesundheit
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Betroffene
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit Beeinträchtigung, mit und ohne Beeinträchtigung, alle Lern- und Erwerbsverhältnisse, alle Staatsangehörigkeiten

Prüfbericht

  • Regelungsvorhaben

    Der „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung“ hat die Verbesserung des Gesundheitssystems zum Ziel.1 Für den Jugend-Check ist insbesondere die Neuregelung hinsichtlich der Hospiz- und Palliativversorgung von Kindern und Jugendlichen relevant.
    Der Entwurf sieht vor, dass künftig eine eigenständige Rahmenvereinbarung zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den für die ambulanten Hospizdienste maßgeblichen Spitzenorganisationen2 zur Förderung ambulanter Kinderhospizdienste getroffen werden soll, vgl. § 39a Abs. 2 S. 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Rahmenvereinbarungen für Kinder und Jugendliche bestehen bislang für die Förderung stationärer Kinderhospize, vgl. § 39a Abs. 1 S. 4 und 5 SGB V. Künftig sollen auch für die ambulante Versorgung in Hospizen Rahmenvereinbarungen bestehen. Demnach soll eine eigenständige Rahmenvereinbarung für Kinder und Jugendliche nunmehr neben einer ebenfalls gesonderten Rahmenvereinbarung für Erwachsene in ambulanter Hospizversorgung stehen.3

  • Betroffene Gruppen junger Menschen

    Betroffene sind Kinder und Jugendliche in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 18 Jahren, die eine Begleitung bzw. Versorgung durch einen ambulanten Hospiz- oder Palliativdienst benötigen. Ebenso können Familien und Angehörige in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 27 Jahren betroffen sein, die ihr Kind von einem ambulanten Hospiz- oder Palliativdienst versorgen lassen. In Deutschland gibt es aktuell etwa 200 ambulante Kinder- und Jugendhospizangebote.7

  • Betroffene Lebensbereiche
    Familie, Umwelt/Gesundheit
  • Erwartete Auswirkungen

    Für Kinder und Jugendliche, die an lebensbedrohlichen bzw. lebensverkürzenden Krankheiten leiden, kann eine auf ihre Altersgruppe abgestimmte eigenständige Rahmenvereinbarung zur Förderung ambulanter Kinderhospizdienste dazu führen, dass ein informierterer Umgang mit diesem Thema in der Lebensphase der Jugend ermöglicht wird. Der Bedarf einer spezifischen Unterstützung von Minderjährigen und ihren Familien liegt unter anderem darin begründet, dass sie zumeist unmittelbar in ihrem Familienkontext begleitet werden und sich zudem in unterschiedlichsten Entwicklungsstadien (z.B. frühe Jugend oder Jugendliche in Ablösungsprozessen) befinden können.9 Dabei soll der Gesetzentwurf eine „zielgenaue und gebündelte Berücksichtigung“10 dieser Bedürfnisse versprechen. Dies ist wichtig, da Kinder und Jugendliche, die an lebensbedrohlichen bzw. lebensverkürzenden Krankheiten leiden, eine ganz besondere Zuwendung und Pflege benötigen.11
    Der ambulante Bereich der Hospiz- oder Palliativdienste unterbreitet den betroffenen jungen Menschen individuelle Begleitungs- und Unterstützungsangebote. Somit könnte eine eigenständige Rahmenvereinbarung auch bewirken, dass „Kinder und Jugendliche als Expertinnen und Experten in eigener Sache einbezogen werden“12 und ihnen Möglichkeiten selbstbestimmten Handelns eröffnen. Wenn junge Betroffene demnach ihren Bedürfnissen entsprechend individuell unterstützt werden können, kann sich dies auch auf ihre psychische Gesundheit auswirken.
    Zu den Grundsätzen der Kinder- und Jugendhospizarbeit zählt darüber hinaus auch die Förderung gesellschaftlicher Teilhabe und schulischer Bildung.13 Daher könnte sich in diesem Sinne eine eigene Rahmenvereinbarung, je nach Ausgestaltung, auch auf die Beteiligungsmöglichkeiten und Bildungsbedingungen der Jugendlichen auswirken. Dabei ist festzustellen, dass die Schulzeit für die betroffenen jungen Menschen häufig „die Zeit des Tages mit dem wenigsten Leid“14 darstellt.
    Auch für junge Eltern oder Sorgeberechtigte bzw. andere Angehörige wie Geschwister, die Kinder in dieser Situation betreuen und begleiten, kann eine ganz besondere Unterstützung von Nöten sein.15 Diese Bedürfnisse können sich ebenso in einer spezifischen Rahmenvereinbarung für Kinder und Jugendliche widerspiegeln. Denn junge Eltern oder Sorgeberechtigte, die sich auf das Lebensende ihres Kindes einstellen müssen, könnten durch die angestrebte Förderung der ambulanten Palliativdienste ihrem Kind ggf. eine altersgerechtere Pflege im häuslichen Umfeld ermöglichen, was sich auch förderlich auf ihr eigenes psychisches Wohlbefinden auswirken kann.
    Zudem erleben auch Geschwisterkinder in besonderem Maße den Werdegang der Krankheit des betroffenen Kindes intensiv mit und benötigen individuelle, altersgerechte Unterstützungsangebote zur Verarbeitung dieser Erlebnisse: Das familiäre Umfeld verlagert möglicherweise seine Aufmerksamkeit auf das erkrankte Kind und es bleibt weniger Zeit für Geschwister.16 Sie können zudem unter Schuldgefühlen, Angst und einer Beeinträchtigung ihrer eigenen körperlichen und seelischen Gesundheit leiden sowie Verhaltensauffälligkeiten oder schulische Schwierigkeiten entwickeln.17 In diesem Zusammenhang könnte eine alters- und bedarfsgerechte Unterstützung des kranken betroffenen Kindes oder Jugendlichen, die mithilfe einer spezifischen Rahmenvereinbarung angestrebt wird, dazu beitragen, diese Schwierigkeiten zu verarbeiten und sich somit auch förderlich auf die psychische und physische Gesundheit des Geschwisterkindes auswirken.18
    Durch unterschiedliche Unterstützungsangebote, auch für Angehörige, im Rahmen der ambulanten Hospiz- oder Palliativdienste könnte somit dem erkrankten Kind als auch seinen Familienmitgliedern eine Entlastung ermöglicht werden, sodass ein Familienleben und ein gewisser Alltag neben der belastenden Situation möglich werden kann.

  • Anmerkungen und Hinweise

    Es bleibt abzuwarten, inwieweit eine gesonderte Rahmenvereinbarung tatsächlich die Spezifika der Lebensphase Jugend aufnimmt und dadurch die besonderen Bedürfnisse der betroffenen jungen Menschen berücksichtigt.
    Zudem richtet sich der Entwurf in erster Linie an minderjährige Menschen mit lebensbedrohlichen bzw. lebensverkürzenden Krankheiten, sodass junge erkrankte Menschen ab 18 Jahren in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 27 Jahre in diesem Sinne nicht von einer altersspezifischen Förderung profitieren könnten. Auch sie sind mitunter noch eng an ihr familiäres Umfeld gebunden und unterscheiden sich anhand ihrer Entwicklung in „Funktionsbereichen (z. B. Berufsaufnahme), Rollenübergängen und Kriterien sozialer Reife“29, sodass sich die Jugendphase mitunter bis zum 30. Lebensjahr ausdehnen kann.30

  • Datenbasis

    Literatur, Sekundärdaten

     

  1. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG)“, 23. Oktober 2020, 1.
  2. Vgl. geltendes Recht § 39a Abs. 2 S. 8 SGB V.
  3. Vgl. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 47.
  4. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG)“, 23. Oktober 2020, 1.
  5. Vgl. geltendes Recht § 39a Abs. 2 S. 8 SGB V.
  6. Vgl. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 47.
  7. Vgl. Deutscher Kinderhospizverein e.V., „Kinder- und Jugendhospizarbeit in Deutschland“, 2020, https://www.deutscher-kinderhospizverein.de/kinder-und-jugendhospizarbeit-in-deutschland.
  8. Vgl. Deutscher Kinderhospizverein e.V., „Kinder- und Jugendhospizarbeit in Deutschland“, 2020, https://www.deutscher-kinderhospizverein.de/kinder-und-jugendhospizarbeit-in-deutschland.
  9. Vgl. Eva Bergsträsser, „Pädiatrische Palliative Care: was ist bei Kindern anders als bei Erwachsenen?“, Zurich Open Repository and Archive, 2018, 4 f., https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/162067/8/2018-03-12_Bergstrasser_Padiatrische_Palliative_Care_Eychmuller.pdf.
  10. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 68 f.
  11. Vgl. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 68 f.
  12. Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V., „Grundsätze der Kinder- und Jugendhospizarbeit“, 2013, 5, https://www.dhpv.de/tl_files/public/Service/Gesetze%20und%20Verordnungen/Grundsaetze%20Kinder-%20und%20Jugendhospizarbeit.pdf.
  13. Vgl. Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V., 7.
  14. Boris Zernikow und Friedemann Nauck, „Pädiatrische Palliativmedizin: Kindern ein ‚gutes Sterben‘ ermöglichen“, Deutsches Ärzteblatt 105, Nr. 25 (2008): 1376.
  15. Vgl. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 68 f.
  16. Vgl. Landesstelle Baden-Württemberg: Palliative Care Kinder und Jugendliche, „Angebote für Geschwister“, Palliative Care für Kinder und Jugendliche, 2020, https://kinder-palliativ-landesstelle.de/angebote-fuer-geschwister/.
  17. Vgl. P. von Lützau, M. Otto, und B. Zernikow, „Welche Auswirkungen haben Lebensendphase und Tod eines an Krebs verstorbenen Kindes auf die Geschwisterkinder?“, Zeitschrift für Palliativmedizin 13, Nr. 5 (2012), http://www.thieme-connect.de/DOI/DOI?10.1055/s-0032-1323004; Vgl. Zernikow und Nauck, „Pädiatrische Palliativmedizin: Kindern ein ‚gutes Sterben‘ ermöglichen“, 1377.
  18. Vgl. M. Barrera, C. F. Fleming, und F. S. Khan, „The role of emotional social support in the psychological adjustment of siblings of children with cancer“, Child: Care, Health and Development 30, Nr. 2 (2004): 103–11.
  19. Vgl. Eva Bergsträsser, „Pädiatrische Palliative Care: was ist bei Kindern anders als bei Erwachsenen?“, Zurich Open Repository and Archive, 2018, 4 f., https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/162067/8/2018-03-12_Bergstrasser_Padiatrische_Palliative_Care_Eychmuller.pdf.
  20. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 68 f.
  21. Vgl. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 68 f.
  22. Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V., „Grundsätze der Kinder- und Jugendhospizarbeit“, 2013, 5, https://www.dhpv.de/tl_files/public/Service/Gesetze%20und%20Verordnungen/Grundsaetze%20Kinder-%20und%20Jugendhospizarbeit.pdf.
  23. Vgl. Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e.V., 7.
  24. Boris Zernikow und Friedemann Nauck, „Pädiatrische Palliativmedizin: Kindern ein ‚gutes Sterben‘ ermöglichen“, Deutsches Ärzteblatt 105, Nr. 25 (2008): 1376.
  25. Vgl. „Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz“, 68 f.
  26. Vgl. Landesstelle Baden-Württemberg: Palliative Care Kinder und Jugendliche, „Angebote für Geschwister“, Palliative Care für Kinder und Jugendliche, 2020, https://kinder-palliativ-landesstelle.de/angebote-fuer-geschwister/.
  27. Vgl. P. von Lützau, M. Otto, und B. Zernikow, „Welche Auswirkungen haben Lebensendphase und Tod eines an Krebs verstorbenen Kindes auf die Geschwisterkinder?“, Zeitschrift für Palliativmedizin 13, Nr. 5 (2012), http://www.thieme-connect.de/DOI/DOI?10.1055/s-0032-1323004; Vgl. Zernikow und Nauck, „Pädiatrische Palliativmedizin: Kindern ein ‚gutes Sterben‘ ermöglichen“, 1377.
  28. Vgl. M. Barrera, C. F. Fleming, und F. S. Khan, „The role of emotional social support in the psychological adjustment of siblings of children with cancer“, Child: Care, Health and Development 30, Nr. 2 (2004): 103–11.
  29. Jürgen Raithel, „Lebensphase Jugend“, in Jugendliches Risikoverhalten: Eine Einführung, hg. von Jürgen Raithel (Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2011), 14.
  30. Vgl. Raithel, 14.
  31. Jürgen Raithel, „Lebensphase Jugend“, in Jugendliches Risikoverhalten: Eine Einführung, hg. von Jürgen Raithel (Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2011), 14.
  32. Vgl. Raithel, 14.

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