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Modernisierung Berufsrecht

Veröffentlichung des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften (Stand: 18.06.2020)

Verantwortliches Ressort:
Justiz und Verbraucherschutz
Veröffentlichung vom:
08.07.2020
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Arbeit, Digitales, Familie
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Betroffene, junge Menschen als Normadressatinnen und -adressaten
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 18-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit Beeinträchtigung, mit und ohne Beeinträchtigung, Auszubildende, Berufstätige, Studierende, alle Staatsangehörigkeiten

Prüfbericht

  • Regelungsvorhaben

    Der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften verfolgt, abgesehen von der Modernisierung verschiedener Bereiche im notariellen Berufsrecht, das Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und die juristische Ausbildung in zwei Punkten zu modernisieren.1
    Künftig soll es unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein, den juristischen Vorbereitungsdienst in Teilzeit abzuleisten. Antragsberechtigt sollen Personen sein, die mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder laut ärztlichem Gutachten pflegebedürftige Ehegattinnen oder Ehegatten, Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner, oder in gerader Linie Verwandte tatsächlich betreuen oder pflegen, vgl. § 5b Abs. 6 S. 1 Nr. 1 und 2 Deutsches Richtergesetz (DRiG). Bei Inanspruchnahme dieser Teilzeitmöglichkeit soll der regelmäßige Dienst um ein Fünftel reduziert und die Dauer des Vorbereitungsdienstes im Gegenzug auf zweieinhalb Jahre verlängert werden, vgl. § 5b Abs. 6 S. 2 und 3 DRiG. Diese zeitliche Verlängerung soll in angemessener Weise auf die Pflichtstationen verteilt werden, vgl. § 5b Abs. 6 S. 4 DRiG. Auch hinsichtlich des Zeitraumes, in dem die schriftlichen Leistungen der zweiten Staatsprüfung zu erbringen sind, soll die Verlängerung angemessen berücksichtigt werden, vgl. § 5d Abs. 3 S. 1 HS 2 DRiG.
    Eine weitere Änderung betrifft die Form schriftlicher juristischer Staatsprüfungen. Diese sollen perspektivisch auch in elektronischer Form durchgeführt werden oder werden können; die Bundesländer sollen im jeweiligen Landesrecht künftig entsprechende Regelungen treffen können, vgl. § 5d Abs. 6 S. 2 DRiG. Auch in anderen Berufen aus dem Bereich der Rechts- oder Steuerberatung sollen schriftliche Prüfungen, z.B. bei der Steuerberaterprüfung, künftig auch in elektronischer Form durchgeführt werden können, vgl. § 37 Abs. 2 S. 2 Steuerberatergesetz (StBerG).

  • Betroffene Gruppen junger Menschen

    Normadressatinnen und -adressaten sind junge Menschen in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 27 Jahre, die künftig den juristischen Vorbereitungsdienst in Teilzeit ableisten wollen und Aufgaben der familiären Betreuung oder Pflege übernehmen.
    Weitere Betroffene sind junge Menschen bis 27 Jahre, die die schriftlichen juristischen Staatsprüfungen nach dem Studium der Rechtswissenschaften und/oder während des juristischen Vorbereitungsdienstes absolvieren wollen. Im Jahr 2017 haben insgesamt bundesweit 9.721 Personen die erste juristische Prüfung und 8.716 Personen die zweite juristische Staatsprüfung abgelegt.3 Auch sind Personen betroffen, die einen anderen rechts- oder steuerberatenden Beruf wie insbesondere den der Steuerberaterin bzw. des Steuerberaters anstreben und die entsprechende Prüfung absolvieren wollen. Der Anteil junger Menschen ist hier allerdings mit 1,3 Prozent nur gering.4

  • Betroffene Lebensbereiche
    Bildung/Arbeit, Digitales, Familie
  • Erwartete Auswirkungen

    Die Möglichkeit, den juristischen Vorbereitungsdienst zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen in Teilzeit absolvieren zu können, kann in erster Linie die gegebenenfalls von jungen Rechtsreferendarinnen und -referendaren empfundene Doppelbelastung von Familie und Beruf etwas mildern. Dies kann dazu führen, dass sich die Bildungsbedingungen derer, die die Teilzeitmöglichkeit in Anspruch nehmen können, verbessern, da sie möglicherweise mehr Zeit und Ruhe zur Examensvorbereitung haben und so unter Umständen bessere Prüfungsergebnisse erzielen. Weiterhin könnte durch die verlängerte Zeit den in der Examensvorbereitung eventuell auftretenden gesundheitlichen Auswirkungen in Form von psychischer Belastung entgegengewirkt werden. Denn gerade Examenskandidatinnen und -kandidaten sind häufig z.B. aufgrund der Angst, durch die Prüfung zu fallen, psychischem Druck ausgesetzt, der sich beispielsweise in Form von chronischem Stress äußern kann.7 Wenn junge Juristinnen und Juristen, die Betreuungs- oder Sorgearbeit leisten, aufgrund der Teilzeitmöglichkeit künftig ihr Referendariat nicht mehr hinausschieben, kann dies ihre Bildungsbedingungen und -möglichkeiten und dadurch ihr berufliches Fortkommen verbessern. Vor allem aber junge Frauen verrichten noch immer einen großen Teil der unentgeltlichen Sorgearbeit wie Betreuung und Pflege von Kindern und Familienangehörigen und stellen hierfür unter Umständen ihr berufliches Fortkommen zurück.8 Diese Dynamik könnte durch die Möglichkeit eines Teilzeitdienstes gemildert werden. Zudem kann für junge Referendare aller Geschlechter mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch die Teilzeitmöglichkeit gestärkt werden. Da die Teilzeitmöglichkeit jedoch nur Rechtsreferendarinnen und -referendaren offenstehen soll, die familiäre Sorgearbeit verrichten, würde sie anderen Rechtsreferendarinnen und -referendaren verschlossen bleiben. Die Beschränkung auf die Betreuung von Kindern und die Pflege engster Angehöriger wird mit dem Missbrauchspotential begründet.9 Denn die mit der Teilzeitmöglichkeit einhergehende Verlängerung des Vorbereitungsdienstes würde den Prüflingen gleichzeitig mehr Zeit zur Examensvorbereitung gewähren. Dies könnte auch für andere Prüflinge ein Anreiz sein, die Teilzeitmöglichkeit anzustreben. Diese Beschränkung kann allerdings dazu führen, dass sich die Bildungsbedingungen und-möglichkeiten für Rechtsreferendarinnen und -referendare, die aus anderen nicht von ihnen zu vertretenden Gründen Schwierigkeiten haben, den Vorbereitungsdienst in Vollzeit zu absolvieren, nicht in gleichem Maße verbessern. So könnten etwa Rechtsreferendarinnen und -referendare mit schwerwiegenden chronischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen den Dienst weiterhin lediglich in Vollzeit ableisten. Zwar gibt es bereits nach geltendem Recht die Möglichkeit, den Vorbereitungsdienst aus zwingenden Gründen im Einzelfall zu verlängern (§ 5b Abs. 4 S. 2 DRiG). Allerdings wäre auch eine derartige Verlängerung wiederum in Vollzeit abzuleisten, sodass die Betroffenen nicht von der mit der Teilzeitmöglichkeit angestrebten Belastungsminderung profitieren könnten.
    Die Neuregelung, in den staatlichen Prüfungen schriftliche Leistungen in elektronischer Form erbringen zu können, kann einerseits dazu beitragen, dass gegebenenfalls die Chancengleichheit unter den Studierenden der Rechtswissenschaften sowie z.B. der angehenden Steuerberaterinnen und -berater sowie Rechtsreferendarinnen und -referendaren erhöht werden kann.10 Prüflinge mit beispielsweise einem schwer leserlichen Schriftbild könnten fortan vor einer möglichen Benachteiligung in der Benotung geschützt werden.11 Zudem könnten mithilfe der Einheitlichkeit des elektronischen Schriftbildes von vornherein mögliche gezogene Rückschlüsse anhand der Handschrift auf einzelne Personen und deren Alter oder Geschlecht unterbunden werden.12 13 Gegebenenfalls könnten sich nachteilige Rückschlüsse auch auf die Vergabe von Notenpunkten auswirken. Gerade in den Examensprüfungen könnte dies für die Prüflinge nachhaltige Auswirkungen haben. Andererseits könnte sich diese Form der Leistungsabfrage durchaus auch negativ auswirken.14 Es könnte erforderlich sein, Studierende auf elektronisch durchgeführte Prüfungen vorzubereiten, indem bereits im Studium vermehrt elektronisch geprüft werden müsste.15 Denn das Schreiben mit einer Schreibsoftware in einer Prüfungssituation erfordere in der Regel Routine, sodass die Prüflinge z.B. nicht erst bei den entscheidenden Examensprüfungen damit konfrontiert werden sollten.16 Zudem deuten lernpsychologische Erkenntnisse darauf hin, dass von Hand geschriebene Informationen besser im Gedächtnis haften bleiben, da sich das Gehirn intensiver mit dem Aufgeschriebenen beschäftigt und dieses verarbeitet.17 Dies kann auch gegen den zunehmenden Einsatz von Computern im Studium sprechen. Denn da das Schreiben von Hand langsamer ist, müssen die Schreibenden das Gehörte in eigenen Worten zusammenfassen, wobei diese Abstraktionsleistung das Verständnis fördern kann.18 19 Gerade in Falllösungen oder Begutachtungen, wie sie grundsätzlich in Examensprüfungen angefertigt werden, könnten Argumentationslinien, die von Hand geschrieben werden, gegebenenfalls kognitiv besser entwickelt werden. Sollte die elektronische Prüfungsform insgesamt zu einem verstärkten Einsatz von Computern im Studium führen, könnten sich somit die Bildungsbedingungen junger Betroffener auch verschlechtern.

  • Anmerkungen und Hinweise

    Die Ausgestaltung des Teilzeitreferendariats soll nach § 5b Abs. 7 DRiG dem Landesrecht überlassen bleiben. Das bedeutet, dass die Länder damit zusammenhängende Bereiche abweichend regeln dürfen, z.B. die Frage, ob ein Wechsel von Voll- auf Teilzeit und gegebenenfalls auch umgekehrt möglich sein soll.33 Vor diesem Hintergrund bleibt abzuwarten, ob die konkrete Ausgestaltung in den Bundesländern gegebenenfalls zu einer Ungleichbehandlung für Rechtsreferendarinnen und -referendare durch unterschiedliche Möglichkeiten im Referendariat führen könnte.

  • Datenbasis

    Literaturrecherche, Sekundärdaten

  1. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 18. Juni 2020, 87.
  2. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 18. Juni 2020, 87.
  3. Vgl. Bundesamt für Justiz, „Ergebnisse der juristischen Staatsprüfung 2017“, 2019, 1, 5.
  4. Vgl. Bundessteuerberaterkammer, „Berufsstatistik 2018“, 2018, 10, https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/presse-und-kommunikation/berufsstatistiken/BStBK_Berufsstatistik_2018.pdf.
  5. Vgl. Bundesamt für Justiz, „Ergebnisse der juristischen Staatsprüfung 2017“, 2019, 1, 5.
  6. Vgl. Bundessteuerberaterkammer, „Berufsstatistik 2018“, 2018, 10, https://www.bstbk.de/downloads/bstbk/presse-und-kommunikation/berufsstatistiken/BStBK_Berufsstatistik_2018.pdf.
  7. Vgl. Ann-Mireille Sautter, Laura Schirp, und Sophie Derfler, „Psychischer Druck im Jurastudium“ (Bundesverband Rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V, 2018), 4.
  8. Vgl. Sven Franke, Stefanie Hornung, und Nadine Nobile, New Pay. Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle., 2019, 50.
  9. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 180.
  10. Vgl. LEX superior, „Digital Study. Jurastudium. Referendariat. Digitalisierung.“, 2019, 21, https://digital-study.de/wp-content/uploads/2020/05/Digital-Study-eMagazin-2020-03.pdf.
  11. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 91.
  12. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 91.
  13. Vgl. LEX superior, „Digital Study. Jurastudium. Referendariat. Digitalisierung.“, 21.
  14. Vgl. Marcel Schneider, „Das elektronische Examen ist eine Verführung“, 29. Juni 2020, 1, https://www.lto.de/recht/studium-referendariat/s/e-examen-klausur-laptop-debatte-koeln-verfuehrung-zukunft/.
  15. Vgl. Schneider, 1.
  16. Vgl. Schneider, 1.
  17. Vgl. Necle Bulut, „Faktenscheck: Handschrift in der digitalisierten Welt“, 2019, 4.
  18. Vgl. Pam Mueller und Daniel Oppenheimer, „The Pen Is Mightier Than the Keyboard: Advantages of Longhand Over Laptop Note Taking“, Psychological Science, 2014, 8.
  19. Vgl. Bulut, „Faktenscheck: Handschrift in der digitalisierten Welt“, 4.
  20. Vgl. Ann-Mireille Sautter, Laura Schirp, und Sophie Derfler, „Psychischer Druck im Jurastudium“ (Bundesverband Rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V, 2018), 4.
  21. Vgl. Sven Franke, Stefanie Hornung, und Nadine Nobile, New Pay. Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle., 2019, 50.
  22. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 180.
  23. Vgl. LEX superior, „Digital Study. Jurastudium. Referendariat. Digitalisierung.“, 2019, 21, https://digital-study.de/wp-content/uploads/2020/05/Digital-Study-eMagazin-2020-03.pdf.
  24. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 91.
  25. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 91.
  26. Vgl. LEX superior, „Digital Study. Jurastudium. Referendariat. Digitalisierung.“, 21.
  27. Vgl. Marcel Schneider, „Das elektronische Examen ist eine Verführung“, 29. Juni 2020, 1, https://www.lto.de/recht/studium-referendariat/s/e-examen-klausur-laptop-debatte-koeln-verfuehrung-zukunft/.
  28. Vgl. Schneider, 1.
  29. Vgl. Schneider, 1.
  30. Vgl. Necle Bulut, „Faktenscheck: Handschrift in der digitalisierten Welt“, 2019, 4.
  31. Vgl. Pam Mueller und Daniel Oppenheimer, „The Pen Is Mightier Than the Keyboard: Advantages of Longhand Over Laptop Note Taking“, Psychological Science, 2014, 8.
  32. Vgl. Bulut, „Faktenscheck: Handschrift in der digitalisierten Welt“, 4.
  33. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 181.
  34. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften“, 181.

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