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RV-Leistungsverbesserungsgesetz

Veröffentlichung des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz) (12.07.2018)

Verantwortliches Ressort:
Arbeit und Soziales
Veröffentlichung vom:
30.07.2018
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Arbeit, Familie, Politik/Gesellschaft
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Normadressatinnen und -adressaten
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, alle Lern- und Erwerbsverhältnisse, alle Staatsangehörigkeiten

Prüfbericht

  • Regelungsvorhaben

    Mit dem RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz sollen in der gesetzlichen Rentenversicherung Rahmenbedingungen verlässlich erhalten und Zielwerte eingehalten werden, damit alle Generationen auf diese vertrauen können.1 Im Einzelnen wird festgelegt, dass bis 2025 das Sicherungsniveau bei mindestens 48 Prozent liegen und der Beitragssatz auf maximal 20 Prozent ansteigen soll, vgl. § 154 Abs.3 SGB VI. Um einen Beitragssatz von maximal 20 Prozent zu garantieren („Beitragssatzgarantie“) wird der Bund verpflichtet, ggf. Bundesmittel an die Rentenversicherung abzugeben, vgl. § 287 Abs. 1-2 SGB VI. Zusätzlich zahlt der Bund zur Einhaltung der Beitragssatzgrenze von 2022 bis 2025 jeweils 500 Mio. Euro pro Jahr an die allgemeine Rentenversicherung, vgl. § 287a SGB VI.
    Mit dem Entwurf soll darüber hinaus die Absicherung von Menschen, die Erwerbsminderungsrenten, Erziehungsrenten und Hinterbliebenenrenten beziehen, verbessert werden: Bei Beginn einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder einer Erziehungsrente im Jahr 2019 oder bei Tod der Versicherten bei einer Hinterbliebenenrente im Jahr 2019 wird die Zurechnungszeit auf 65 Lebensjahre und 8 Monate erhöht. In den Folgejahren wird die Zurechnungszeit bis 2030 schrittweise auf 66 Jahre und 10 Monate verlängert, vgl. § 253a SGB VI.
    Bei vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kindern werden 36 Monate Kindererziehungszeit berücksichtigt, wenn insgesamt mehr als zwei Kinder erzogen wurden, vgl. § 249 Abs. 1 Sätze 2-4 SGB VI. Menschen, die über ein maximales Arbeitsentgelt von 1300 Euro verfügen, sollen bei den Sozialabgaben entlastet werden. Dazu wird die bisherige Gleitzone, die zwischen 450,01 Euro und 850 Euro liegt, zu einem „sozialversicherungsrechtlichen Einstiegsbereich“2 weiterentwickelt. Damit können bei Entgelten bis 1300 Euro geringere Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden, vgl. § 163 Abs. 10 S. 1 SGB VI, § 149 Abs. 2 SGB VI. Gleichzeitig sollen sich daraus keine geringeren Rentenleistungen ergeben.3

  • Betroffene Gruppen junger Menschen

    Normadressatinnen und -adressaten in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe sind junge Menschen bis 27 Jahre, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. Darunter im Speziellen junge Menschen bis 27 Jahre, die maximal 1300 Euro monatliches Entgelt erhalten, da sie zusätzlich unter eine Entlastung der Sozialbeiträge für Menschen mit geringem Einkommen fallen. Weitere Normadressatinnen und -adressaten sind junge Menschen, die ab dem Jahr 2019 eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten. Im Jahr 2016 bezogen 3065 Menschen bis 27 Jahre eine Erwerbsminderungsrente.7 Weiterhin sind diejenigen jungen Menschen unmittelbar betroffen, die eine Hinterbliebenenrente erhalten. Dazu zählen Waisenrenten, die 2016 von 280.315 Menschen zwischen 12 und 27 Jahren bezogen wurden sowie Witwen- bzw. Witwerrenten, die 2016 von 154 Menschen bis 27 Jahre bezogen wurden.8
    Mittelbar können auch junge Menschen betroffen sein, deren sorgeberechtigte Personen durch dieses Gesetz höhere Rentenleistungen erhalten. Junge Menschen, deren Sorgeberechtigte maximal 1300 Euro monatliches Entgelt erhalten, sind ebenfalls betroffen, als ihnen mittelbar die Entlastung der Sozialabgaben für Menschen mit geringem Einkommen zugutekommen kann.

  • Betroffene Lebensbereiche
    Bildung/Arbeit, Familie, Politik/Gesellschaft
  • Erwartete Auswirkungen

    Die Einführung der „doppelten Haltelinie“11 kann das Vertrauen junger Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung stärken.12 Die Begrenzung des Beitragssatzes auf maximal 20 Prozent bis 2025 gibt jungen Menschen Sicherheit in Bezug auf mittelfristig anfallende Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung. Zu bedenken ist jedoch, dass das Rentenniveau sowie der Beitragssatz nur bis 2025 festgelegt sind und danach von Vorschlägen der eingesetzten Rentenkommission „Verlässlicher Generationenvertrag“13 sowie wirtschaftlichen Entwicklungen abhängig sind.
    Junge Menschen, die ein geringes Einkommen bis zu einem maximalen Entgelt von 1300 Euro erwirtschaften, werden materiell entlastet, da sie geringere Beiträge zur Rentenversicherung zahlen. Damit haben sie monatlich mehr Einkommen zur Verfügung.
    Mittelbar könnten auch junge Menschen von der Neuregelung finanziell profitieren, wenn sie Eltern, die bereits eine Rente beziehen, ggf. nicht mehr finanziell unterstützen müssen. Ebenso können junge Menschen mittelbar von geringeren Sozialabgaben ihrer Sorgeberechtigten profitieren, wenn monatlich mehr Geld in der Familie zur Verfügung steht.
    Gerade junge Menschen, die vermindert erwerbsfähig werden, haben meist erst geringe Rentenanwartschaften aufbauen können.14 Für diese Personen ist die sogenannte Zurechnungszeit besonders wichtig. Durch die Neuregelung wird die Zurechnungszeit schrittweise auf 66 Jahre und 10 Monate angehoben, wodurch sich die bezogene Erwerbsminderungsrente erhöht.
    Analoges gilt für junge Menschen, deren Eltern oder Ehepartnerin bzw. Ehepartner versterben. Junge Menschen, die ein oder beide Elternteile verlieren, profitieren in materieller Hinsicht von der Erhöhung der Zurechnungszeiten, da sich dadurch die bezogene Halb- bzw. Vollwaisenrente erhöht. Auch die Hinterbliebenenrente für junge Witwen bzw. Witwer wird dadurch angehoben.
    Dies gilt jedoch nur für junge Menschen, die zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Erwerbs- bzw. Hinterbliebenenrente beziehen und bei denen der Bezug der Erwerbsminderungs- bzw. Hinterbliebenenrente erst ab 2019 beginnt.

  • Anmerkungen und Hinweise

    Nach derzeitigem Stand würde das Sicherungsniveau vor Steuern im Jahr 2031 bereits nur noch 44,6 Prozent betragen,19 sodass die Einführung einer doppelten Haltelinie in der gesetzlichen Rentenversicherung insbesondere für junge Menschen von Bedeutung ist. Im vorliegenden Entwurf wird diese jedoch nur bis 2025 gezogen. Außerdem geht die Einführung der doppelten Haltelinie zunächst mit einem höheren Beitragssatz im Vergleich zum Status quo einher. Diese Erhöhung wird auch von jungen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern unmittelbar getragen, wobei von der Fixierung des Rentenniveaus zunächst nur Menschen profitieren, die bereits in Rente sind oder bis 2025 in Rente gehen. Berechnungen zeigen, dass eine Fixierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent und maximal 20 Prozent Beitragssatz in Zukunft konstant steigende Übertragungen von Bundesmitteln an die gesetzliche Rentenversicherung erfordert. 2030 wären 138,6 Mrd. Euro notwendig, 2040 bereits 225 Mrd. Euro und 2060 sogar 438 Mrd. Euro.20 Angesichts dieser enormen Kostensteigerungen ist nicht auszuschließen, dass eine Fixierung suggeriert wird, die langfristig und damit insbesondere für junge Menschen nicht haltbar ist und falsche Erwartungen weckt.21

  • Datenbasis

    Literaturrecherche, Sekundärdaten

  1. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz)“, 12. Juli 2018, 17.
  2. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 2.
  3. Vgl. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 3.
  4. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz)“, 12. Juli 2018, 17.
  5. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 2.
  6. Vgl. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 3.
  7. Deutsche Rentenversicherung, „Rentenbestand. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach SGB VI“, Berichtsjahr 2016. Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Alter zum Erhebungsstichtag. Berechnung auf Grundlage der 12 bis unter 27-Jährigen.
  8. Deutsche Rentenversicherung, „Rentenbestand. Renten wegen Todes nach SGB VI (einschl. Nullrenten)“, Berichtsjahr 2016. Rente wegen Todes mit und ohne Einkommensanrechnung. Alter zum Erhebungsstichtag. Berechnung auf Grundlage der 12 bis unter 27-Jährigen.
  9. Deutsche Rentenversicherung, „Rentenbestand. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach SGB VI“, Berichtsjahr 2016. Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. Alter zum Erhebungsstichtag. Berechnung auf Grundlage der 12 bis unter 27-Jährigen.
  10. Deutsche Rentenversicherung, „Rentenbestand. Renten wegen Todes nach SGB VI (einschl. Nullrenten)“, Berichtsjahr 2016. Rente wegen Todes mit und ohne Einkommensanrechnung. Alter zum Erhebungsstichtag. Berechnung auf Grundlage der 12 bis unter 27-Jährigen.
  11. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 1.
  12. Vgl. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 17.
  13. Vgl. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 17.
  14. Siehe dazu auch: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, „Rentenlexikon: Zurechnungszeit“, o. J., https://www.bmas.de/DE/Themen/Rente/Rentenlexikon/Z/zurechnungszeit.html.
  15. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 1.
  16. Vgl. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 17.
  17. Vgl. „RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz“, 17.
  18. Siehe dazu auch: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, „Rentenlexikon: Zurechnungszeit“, o. J., https://www.bmas.de/DE/Themen/Rente/Rentenlexikon/Z/zurechnungszeit.html.
  19. Vgl. Modellrechnungen der Bundesregierung: „Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren gemäß § 154 Abs. 1 und 3 SGB VI (Rentenversicherungsbericht 2017)“, 2017, 12.
  20. Vgl. Martin Werding, „Demographischer Wandel, soziale Sicherung und öffentliche Finanzen: Langfristige Auswirkungen und aktuelle Herausforderungen. Expertise“ (Bertelsmann Stiftung, 2018), 31. Tabelle 1.
  21. Vgl. Martin Werding, 31.
  22. Vgl. Modellrechnungen der Bundesregierung: „Bericht der Bundesregierung über die gesetzliche Rentenversicherung, insbesondere über die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben, der Nachhaltigkeitsrücklage sowie des jeweils erforderlichen Beitragssatzes in den künftigen 15 Kalenderjahren gemäß § 154 Abs. 1 und 3 SGB VI (Rentenversicherungsbericht 2017)“, 2017, 12.
  23. Vgl. Martin Werding, „Demographischer Wandel, soziale Sicherung und öffentliche Finanzen: Langfristige Auswirkungen und aktuelle Herausforderungen. Expertise“ (Bertelsmann Stiftung, 2018), 31. Tabelle 1.
  24. Vgl. Martin Werding, 31.

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