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Verbot von Konversionstherapien (aktualisiert)

Veröffentlichung des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen (Stand: 18.12.2019)

Verantwortliches Ressort:
Gesundheit
Veröffentlichung vom:
16.01.2020
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Arbeit, Familie, Politik/Gesellschaft, Umwelt/Gesundheit
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Betroffene, junge Menschen als Normadressatinnen und -adressaten
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, nicht-binär, trans, alle Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, alle Lern- und Erwerbsverhältnisse, alle Staatsangehörigkeiten

Prüfbericht

  • Regelungsvorhaben

    Mit dem Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen wird das Ziel verfolgt, „Konversionsbehandlungen bei besonders schutzbedürftigen Personen zu verhindern, die Selbstbestimmung und die Interessen der betroffenen Menschen zu stärken und deren gesellschaftliche Diskriminierung zu bekämpfen.“1
    Hierzu soll das Gesetz zunächst verbieten, Behandlungen an Personen unter 18 Jahren oder an volljährigen Personen durchzuführen, deren Einwilligung hierzu unter einem Willensmangel leidet, vgl. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. Das Gesetz soll für „alle am Menschen durchgeführten Behandlungen, die auf die Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität gerichtet sind (Konversionsbehandlung)“ gelten, § 1 Abs. 1 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. Die Vornahme einer Konversionsbehandlung nach § 2 des Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen kann mit Freiheitstrafe von bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe bestraft werden, vgl. § 5 Abs. 1  Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. Eltern oder Personensorgeberechtigte sollen nur bestraft werden, sofern sie ihre Erziehungspflicht gröblich verletzen, § 5 Abs. 2 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen.
    Weiterhin soll ein Verbot des öffentlichen Werbens, des Anbietens und des Vermittelns einer Konversionsbehandlung eingeführt werden, vgl. § 3 Abs. 1 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. Darüber hinaus soll gegenüber Minderjährigen auch ein Verbot für nichtöffentliches Werben, Anbieten oder Vermitteln bestehen, vgl. § 3 Abs. 2 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. Ein Verstoß gegen das Werben oder Anbieten nach § 3 stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro belegt werden, vgl. § 6 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen. Das Vermitteln einer Konversionsbehandlung an einen Minderjährigen wird strafbar, sofern diese durchgeführt wurde.2
    Der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll fortan die Aufgabe zukommen, einen mehrsprachigen sowie anonymen Telefon- und Online-Beratungsdienst vorzuhalten bei dem sich Betroffene und deren Angehörige zu Konversionsbehandlungen beraten lassen können. Zudem soll das Angebot auch Personen zugänglich sein, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen zu Fragen der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität beraten lassen wollen, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 und Abs. 2 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen.

    Das Gesetz soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten, vgl. § 7 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen.

  • Betroffene Gruppen junger Menschen

    Betroffene sind junge Menschen in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 27 Jahre, die durch ihre sexuelle Orientierung oder selbstempfundene geschlechtliche Identität eine potenzielle Zielgruppe für sogenannte Konversionstherapien darstellen. In Bezug auf die sexuelle Orientierung können dies junge Menschen sein, die beispielsweise homosexuell oder bisexuell sind. Bei der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität können dies z.B. inter- oder transgeschlechtliche junge Menschen sein.

  • Betroffene Lebensbereiche
    Bildung/Arbeit, Familie, Politik/Gesellschaft, Umwelt/Gesundheit
  • Erwartete Auswirkungen

    Die sexuelle Orientierung sowie die selbst empfundene geschlechtliche Identität sind als Teilaspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundrechtlich besonders geschützt. Dem trägt das Verbot von Konversionstherapien bei Minderjährigen sowie bei Volljährigen, die unter einem Willensmangel leiden,  Rechnung. Hierdurch können junge Menschen zudem vor psychischer oder physischer Gewalt geschützt werden. Im letzteren Fall können sie zugleich in ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit gestärkt werden. Der psychische und physische Schutz ist gerade für die betroffenen Minderjährigen, bei denen die Durchführung einer solchen Behandlung verboten ist, wichtig. Denn gerade für junge, in der Pubertät befindliche Menschen, ist die Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität von besonderer Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung. Sie können davor geschützt werden, dass sie durch eine Konversionstherapie bzw. das Anbieten einer solchen, in dieser Entwicklung gestört werden. Die Bedeutung dessen wird auch durch Hinweise in Studien unterstrichen, die, auch wenn sie keine Kausalaussagen ermöglichen, nahelegen, dass Therapien, die das Ziel haben, eine sexuelle Orientierung zu verändern, zum Auftreten von Depressionen, Suizidalität als auch sexuellen Problemen beitragen können.5
    Ein Verbot solcher Therapien bei Minderjährigen kann auch auf gesellschaftlicher Ebene Wirkung entfalten, indem verdeutlicht wird, dass beispielsweise eine sexuelle Orientierung keine Krankheit und damit nicht therapiebedürftig ist. Damit kann sowohl der Diskriminierung und Stigmatisierung junger Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung als auch ihrer selbstverorteten geschlechtlichen Identität in der Gesellschaft entgegengewirkt werden.6
    Zu bedenken ist jedoch, dass das Anbieten von Konversionstherapien bei Volljährigen weiterhin erlaubt ist. Dies kann zwar unter dem Aspekt des Selbstbestimmungsrechts verstanden werden. Jedoch bleibt zu bedenken, dass dadurch weiterhin Konversionstherapien möglich sind. Dies ist zum einen kritisch, da es keinen medizinischen Nachweis gibt,7 dass sich mit Konversionstherapien die sexuelle Orientierung oder auch die selbstempfundene geschlechtliche Identität unterdrücken oder verändern lassen. Zum anderen ist dies problematisch, da ein Fortbestehen solcher Therapien bei betroffenen jungen Menschen den Eindruck erwecken kann, dass sie von einer gesellschaftlichen Norm abweichen und eine Erwartung besteht, dass sie sich verändern bzw. dieser Norm anpassen müssen. In diesem Zusammenhang kann vor allem das soziale Umfeld in dem ein junger Mensch aufwächst einen Einfluss haben, wenn etwa religiöse oder weltanschauliche Leitbilder zu einer mangelnden Akzeptanz oder Ablehnung gegenüber bestimmten sexuellen Orientierungen führen. So kann es dazu kommen, dass sich ein junger Mensch nur scheinbar freiwillig zu einer solchen Therapie entscheidet, dies jedoch durch familiären oder gesellschaftlichen Druck bedingt ist.
    Dass Therapieformen oder Gesprächsangebote, die nicht zum Ziel haben die selbstempfundene geschlechtliche Identität oder die sexuelle Orientierung zu unterdrücken oder zu verändern, keinem Verbot unterliegen, kann die geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung junger Menschen stärken. Gerade für junge Menschen, die entweder selbst oder deren Umfeld Akzeptanzprobleme mit ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Verortung haben, können diese Angebote helfen, sich selbst zu akzeptieren und ein selbstbestimmtes, psychisch insoweit gesundes Leben zu führen.
    Das Verbot des Öffentlichen Werbens kann des Weiteren die gesellschaftliche Entwicklung hin zu mehr Akzeptanz für alle Formen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identitäten fördern. Dies dadurch, dass nicht mehr öffentlich, beispielsweise durch Beiträge auf Webseiten oder bei öffentlichen Vorträgen, der Eindruck erweckt werden kann, dass diese Menschen nicht „normal“ seien und behandlungsbedürftig wären. Weiterhin kann es verhindern, dass Betroffene oder deren Angehörige überhaupt Kenntnis von solchen Therapien erhalten, was das Risiko einer Anbahnung von Kontakten zu vermeintlichen „Therapeuten“ sowie das Ausnutzen der Unsicherheit und Unerfahrenheit der potentiell Betroffenen senkt. Dies gilt insbesondere für Minderjährige, denen gegenüber auch das nichtöffentliche Werben, Anbieten oder Vermitteln einer Konversionsbehandlung verboten wird.

  • Anmerkungen und Hinweise

    Es sollte sichergestellt werden, dass junge Menschen, die von einer Konversionstherapie betroffen sind oder sein können sowie deren Angehörige und beruflich sowie privat interessierte Personen, Kenntnis des Beratungsangebots der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erhalten. Hierbei ist darauf zu achten, dass das Angebot wertneutral kommuniziert wird. Sodann kann es auch davor schützen, dass Betroffene oder Angehörige Informationen von zweifelhaften Quellen beziehen.
    Zu Bedenken ist, dass sich im Hinblick auf das Vermitteln einer Konversionstherapie gegenüber Minderjährigen eine Schutzlücke ergeben kann. Dies, weil in § 6 Abs. 1 Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen das Vermitteln einer Konversionstherapie nicht als Ordnungswidrigkeit erfasst wird, obwohl das Vermitteln nach § 3 Abs. 1 und 2 verboten ist. Nur die Begründung zum vorliegenden Gesetzentwurf führt an, dass das Vermitteln einer solchen Therapie an einen Minderjährigen dann strafbar wird, wenn diese vermittelte Therapie auch durchgeführt wird.11

  • Datenbasis

    Literaturrecherche

  1. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 18. Dezember 2019, 8.
  2. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 19.
  3. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 18. Dezember 2019, 8.
  4. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 19.
  5. Vgl. Peer Briken, Arne Dekker, und Klaus Michael Reininger, „Gutachten im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) zur Fragestellung von so genannten Konversionsbehandlungen bei homosexueller Orientierung“ (Zentrum für Psychosoziale Medizin Institut für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie, 10. Juli 2019), 3.
  6. Vgl. Peer Briken, Arne Dekker, und Klaus Michael Reininger, 3.
  7. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 1.
  8. Vgl. Peer Briken, Arne Dekker, und Klaus Michael Reininger, „Gutachten im Auftrag der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld (BMH) zur Fragestellung von so genannten Konversionsbehandlungen bei homosexueller Orientierung“ (Zentrum für Psychosoziale Medizin Institut für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie, 10. Juli 2019), 3.
  9. Vgl. Peer Briken, Arne Dekker, und Klaus Michael Reininger, 3.
  10. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 1.
  11. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 19.
  12. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 19.

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