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Zwangsvollstreckungsrechtliche Vorschriften

Veröffentlichung des Kompetenzzentrums Jugend-Check

Geprüfter Gesetzentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG) (Stand: 26.11.2020)

Verantwortliches Ressort:
Justiz und Verbraucherschutz
Veröffentlichung vom:
11.12.2020
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Arbeit, Digitales
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als Betroffene
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 12-27, alle Geschlechter, alle Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, alle Lern- und Erwerbsverhältnisse, alle Staatsangehörigkeiten

Prüfbericht

  • Regelungsvorhaben

    Mit dem Gerichtsvollzieherschutzgesetz sollen abgesehen von einer Verbesserung des Schutzes für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vor Gewalt auch zwangsvollstreckungsrechtliche Vorschriften geändert werden, um die Regelungen an die heutigen Bedürfnisse und Lebensumstände anzupassen.1
    Dazu soll § 811 Zivilprozessordnung (ZPO), der die unpfändbaren Sachen in der Zwangsvollstreckung aufführt, neu strukturiert und an diese heutigen Lebensumstände angepasst werden.2 Künftig sollen neben der Schuldnerin oder dem Schuldner auch Personen in den Anwendungsbereich des § 811 ZPO einbezogen werden, die mit der Schuldnerin oder dem Schuldner in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, sodass auch Sachen, die diese Person etwa für eine bescheidene Lebens- und Haushaltsführung benötigt, nicht der Pfändung unterliegen sollen, vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 1 a ZPO. Es sollen daher auch andere Formen des Zusammenlebens (z.B. Wohngemeinschaften) beachtet werden.3 Bislang wird etwa im geltenden § 811 Abs. 1 Nr. 2 ZPO darauf abgestellt, ob die Schuldnerin oder der Schuldner bzw. deren oder dessen Familie oder die im Haushalt helfenden Hausangehörigen die Sache benötigen.
    Des Weiteren sollen Sachen, die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder einer damit im Zusammenhang stehenden Aus- oder Fortbildung benötigt werden, ebenfalls nicht der Pfändung unterliegen, vgl. § 811 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO. In gewissem Umfang sind solche Sachen bislang schon im geltenden Recht nach § 811 Abs. 1 Nr. 4 – 7, Nr. 9 und Nr. 10 ZPO vom Pfändungsschutz erfasst. Allerdings soll durch die Neuregelung keine Unterscheidung mehr nach der Art der Erwerbstätigkeit stattfinden. Entscheidend sein soll, dass die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der damit im Zusammenhang stehenden Aus-und Fortbildung ohne die Sache nicht mehr möglich ist.4 Zudem soll auch nicht mehr auf einen Gebrauch in der Schule oder sonstigen Unterrichtsanstalt abgestellt werden und nicht mehr nur Bücher, sondern alle für die Aus- und Fortbildung erforderlichen Sachen dem Pfändungsschutz unterliegen.5
    Hinsichtlich des Aufbaus einer Alterssicherung soll der unpfändbare Ansparbetrag künftig angehoben werden. Bislang durfte dieser nach § 851c Abs. 2 S. 2 ZPO geltendem Recht bis zu 2000 Euro betragen. Künftig soll der Ansparbetrag für die Altersvorsorge bei Schuldnerinnen und Schuldnern zwischen dem 18. bis zum vollendeten 27. Lebensjahr jährlich nicht mehr als 6000 Euro betragen, vgl. § 851c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 a ZPO.6

  • Betroffene Gruppen junger Menschen

    Betroffene sind junge Menschen in der für den Jugend-Check relevanten Altersgruppe bis 27 Jahre, die selbst Schuldnerinnen und Schuldner sind oder mit Schuldnerinnen und Schuldnern in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben. Davon sind z.B. Bedarfs- oder Wohngemeinschaften erfasst. Im Jahr 2019 waren etwa sieben Prozent der Personen, die eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchten, unter 25 Jahre.13 Als Hauptverschuldungsquelle gelten in dieser Altersgruppe offene Verbindlichkeiten bei Telekommunikationsunternehmen.14

  • Betroffene Lebensbereiche
    Bildung/Arbeit, Digitales
  • Erwartete Auswirkungen

    Die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs hinsichtlich des Pfändungsschutzes kann sich auf den Besitz von jungen Menschen, die z.B. in Wohngemeinschaften mit einer Schuldnerin oder einem Schuldner zusammenleben, auswirken: Wenn künftig auch Sachen von Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, die etwa für den Haushalt nötig sind (eingebrachte Küchenmaschine u.Ä.), dem Pfändungsschutz unterliegen, kann sich dies auf die materielle Situation und den Lebensstandard junger Menschen auswirken bzw. diesen aufrechterhalten. Sie befinden sich in einer Lebensphase, in der sie – insbesondere durch den Auszug aus dem Elternhaus – eine „sozial und ökonomisch eigenständige Lebensführung“17 erlernen müssen. Sie wohnen unter Umständen mit anderen Menschen zusammen und teilen einen gemeinsamen Haushalt, z.B. in Wohngemeinschaften mit zum Teil wechselnden Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, über die man unter Umständen nur wenig weiß. In diesem Sinne kann mit der Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereiches des Pfändungsschutzes auch einer Fremdbestimmtheit vorgebeugt werden, indem künftig nicht mehr die Sachen der Mitbewohnerin oder des Mitbewohners gepfändet werden dürfen, sondern sie selbstbestimmt über diese verfügen können.
    Des Weiteren kann sich die Ausweitung des Pfändungsschutzes auf Materialien, die zu Bildungszwecken für eine Aus- und Fortbildung benötigt werden, auf die Bildungsbedingungen der Schuldnerin oder des Schuldners bzw. auf die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebenden Personen auswirken. Dies soll gelten, sofern die Aus- und Fortbildung mit einer Erwerbstätigkeit im Zusammenhang steht und nunmehr insbesondere auch die digitale Ausstattung18, z.B. mit Tablets oder Laptops, umfassen. Der Zusammenhang zwischen finanziell schwierigen Lebenssituationen und geringer Bildung ist vielfach belegt.19 Daher ist es vor allem für junge Menschen wichtig, durch Bildung die Voraussetzungen für das weitere Leben sowie die Erwerbstätigkeit zu schaffen und vor dem Hintergrund der stetig voranschreitenden Digitalisierung den Anschluss nicht zu verpassen. Hierfür kann die Neuregelung einen Beitrag leisten, da diese nicht mehr nur Bücher für die Schule als unpfändbar umfasst, sondern vor allem auch digitale Lernmittel, die etwa für die Bewältigung von schulischen Aufgaben benötigt werden.20
    Darüber hinaus kann die Anhebung des unpfändbaren Höchstansparbetrags zur Altersvorsorge für die Altersgruppe der 18- bis 27-Jährigen es betroffenen jungen Schuldnerinnen und Schuldnern ermöglichen, langfristig zu denken und nach Überstehen der finanziellen Notlage weiterhin eine aussichtsreichere Perspektive hinsichtlich der Altersvorsorge zu haben. Diese Neuregelung kann sich ggf. langfristig gesehen auf die materielle Situation der Schuldnerinnen und Schuldner auswirken.

  • Anmerkungen und Hinweise

    Es gilt zu bedenken, dass auch in Weiterbildungen, die nicht in einem erkennbaren Zusammenhang mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit stehen, wichtige Kompetenzen für das Erwerbsleben erlernt werden können. Vor diesem Hintergrund kann der Ausschluss aus dem Pfändungsschutz für die hierfür relevanten Materialen für junge Menschen dazu führen, dass sie diese Weiterbildungen nicht fortführen können und sich dies nachteilig auf ihre Bildungsbedingungen auswirken kann.

  • Datenbasis

    Literaturrecherche, Sekundärdaten

  1. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG)“, 26. November 2020, 1.
  2. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 2; 17.
  3. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 2.
  4. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.
  5. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.
  6. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 2.
  7. Vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG)“, 26. November 2020, 1.
  8. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 2; 17.
  9. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 2.
  10. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.
  11. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.
  12. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 2.
  13. Vgl. Statistisches Bundesamt, „Statistik zur Überschuldung privater Personen“, 2020, 5, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Vermoegen-Schulden/Publikationen/Downloads-Vermoegen-Schulden/ueberschuldung-2150500197004.pdf?__blob=publicationFile (siehe Tabelle 1, eigene Berechnung).
  14. Vgl. Statistisches Bundesamt, „Private Überschuldung: Starke Unterschiede zwischen Jung und Alt“, 2019, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/05/PD19_199_635.html.
  15. Vgl. Statistisches Bundesamt, „Statistik zur Überschuldung privater Personen“, 2020, 5, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Vermoegen-Schulden/Publikationen/Downloads-Vermoegen-Schulden/ueberschuldung-2150500197004.pdf?__blob=publicationFile (siehe Tabelle 1, eigene Berechnung).
  16. Vgl. Statistisches Bundesamt, „Private Überschuldung: Starke Unterschiede zwischen Jung und Alt“, 2019, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2019/05/PD19_199_635.html.
  17. Dirk Konietzka und André Tatjes, „Der Auszug aus dem Elternhaus“, in Handbuch Bevölkerungssoziologie, hg. von Yasemin Niephaus, Michaela Kreyenfeld, und Reinhold Sackmann, Springer NachschlageWissen (Wiesbaden: Springer VS, 2016), 201.
  18. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.
  19. Vgl. Sally Peters, „Beratung und Armut – Herausforderungen am Beispiel ver- und überschuldeter junger Erwachsener“, in Armutsbekämpfung durch Schuldenprävention: Empirische Befunde, methodische Zugänge und Perspektiven, hg. von Christoph Mattes und Carlo Knöpfel (Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2019), 107, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23934-3_7.
  20. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.
  21. Dirk Konietzka und André Tatjes, „Der Auszug aus dem Elternhaus“, in Handbuch Bevölkerungssoziologie, hg. von Yasemin Niephaus, Michaela Kreyenfeld, und Reinhold Sackmann, Springer NachschlageWissen (Wiesbaden: Springer VS, 2016), 201.
  22. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.
  23. Vgl. Sally Peters, „Beratung und Armut – Herausforderungen am Beispiel ver- und überschuldeter junger Erwachsener“, in Armutsbekämpfung durch Schuldenprävention: Empirische Befunde, methodische Zugänge und Perspektiven, hg. von Christoph Mattes und Carlo Knöpfel (Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2019), 107, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23934-3_7.
  24. Vgl. „Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG“, 30.

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